Drei Tage nach der Bahnkatastrophe in Nordkorea sind erste Hilfslieferungen aus dem Ausland für die tausenden Opfer eingetroffen. Elf Lastwagen mit Hilfsgütern und Nahrungsmitteln aus China erreichten am Sonntag den Unglücksort Ryongchon im Nordwesten des Landes. Die verheerende Explosion beim Rangieren von Waggons mit Öl und Chemikalien habe "ungeheure Verwüstungen" angerichtet und den Ort zu 40 Prozent zerstört, berichteten Rotkreuzhelfer und Vereinte Nationen. Nach amtlichen nordkoreanischen Angaben erstreckte sich die Zahl der Toten am Sonntag auf 161, unter ihnen sind mindestens 76 Kinder einer völlig zerstörten Grundschule. 1300 Menschen wurden teils schwer verletzt. 10.000 Menschen wurden nach UN-Angaben obdachlos.
Spekulationen um wahre Opferzahl
Über die wahre Zahl der Toten herrschte aber Unklarheit. Von den etwa 370 Schwerverletzten in Krankenhäusern in der Provinzhauptstadt Sinuiju seien "einige" gestorben, berichtete der Koordinator der deutschen Welthungerhilfe, Ralph Gust-Frenger, in Pjöngjang. Wie viele in Lebensgefahr schwebten, war nicht bekannt. Die medizinische Versorgung sei "sehr einfach". "Die Krankenhäuser sind ohnehin schon überbeansprucht und unzureichend ausgestattet", berichtete der UN-Koordinator der humanitären Hilfe (Ocha), Brendan McDonald, telefonisch aus Pjöngjang. "Sie werden Unterstützung brauchen." Er äußerte "große Besorgnis" über die Verletzten.
Internationale Experten werden Anfang der Woche die Lage der Hospitäler erkunden können. Internationale Hilfsorganisationen lieferten zunächst aus Pjöngjang und Lagern in der Nähe Hilfsgüter und Nahrungsmittel. Dafür müssen sie aber auf ihre begrenzten Bestände laufender Programme für die unter chronischem Nahrungsmangel leidenden Nordkoreaner zurückgreifen. Verschiedene Länder wie Südkorea, Russland und die EU haben aber Hilfslieferungen zugesagt.
Schäden in vier Kilometern Entfernung
Die Explosion zerstörte alle Häuser in einem Umkreis von einigen hundert Metern. Selbst in vier Kilometer Entfernung gab es Schäden. Die Schockwelle zerstörte ein Krankenhaus und eine Schule bei Unterrichtsschluss, was die hohe Zahl von Kindern unter den Opfern erklärt. Der 30 000 Einwohner zählende Ort in der Nähe der chinesischen Grenze sah wie nach einem schweren Erdbeben aus. 1850 Häuser und 20 öffentliche Gebäude wurden zerstört oder beschädigt. "Als wir zu der Bahnstation kamen, lagen überall nur Trümmer herum. Es gab riesige Krater im Boden", berichtete ein Helfer. "Es war ein einziges Durcheinander."
Viele Familien haben ihre ohnehin kargen Nahrungsmittelvorräte verloren. Die Wasser- und Stromversorgung ist schwer beeinträchtigt worden. Obdachlose sind bei anderen Bewohnern untergekommen. Das Rote Kreuz hat Decken, Tabletten zur Trinkwasseraufbereitung und Hilfsgüter verteilt. Das Welternährungsprogramm (WFP) und die Welthungerhilfe versorgen die Menschen mit Nahrung. Die Obdachlosen können mit rund 400 Tonnen Lebensmitteln wie Reis, Mungbohnen und Öl rechnen.
Drei Tage nach dem Unglück haben die nordkoreanischen Behörden die eigene Bevölkerung erstmals über die amtlichen Medien von den internationalen Hilfslieferungen unterrichtet.
Hintergrund: "Nachlässigkeit" als Unfallursache |