Ein Mediensturm ist über Australien hereingebrochen. Für Schlagzeilen sorgte aber nicht etwa die große Dürre, die Australien seit sechs Jahren fest im Griff hat und zum Teil auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Oder der extreme Wassermangel in Sydney und Melbourne. Auch nicht die zunehmenden Probleme von Flora und Fauna durch immer wärmer werdendes Wasser an Australiens größtem Naturwunder, dem über 2000 Kilometer langen Great Barrier Reef. Auslöser war vielmehr die Dokumentation "Der große Klima-Schwindel": Der Fernsehsender ABC hat den Film des englischen Regisseurs Martin Durkin am Donnerstagabend ausgestrahlt - genug Anlass für die Medien, Klimawandelskeptikern im Vorfeld einen breiten Raum einzuräumen.
Zur besten Sendezeit wurde die gekürzte Version des Films gezeigt, die auch vor einigen Wochen auch in Deutschland bei RTL im Nachtprogramm zu sehen war. Durkin leugnet den Klimawandel nicht - wohl aber die von den namhaftesten Wissenschaftlern der Welt belegte These, dass die globale Erwärmung im Wesentlichen von uns Menschen verursacht wird. Alles Unsinn, sagen die Skeptiker: Klimawandel ist ein ganz normales zyklisches Ereignis und wird von den Aktivitäten der Sonne verursacht.
Ob nun "Der große Klima-Schwindel" in Australien ausgestrahlt wird oder ein Känguru durchs Outback hoppelt, wäre eigentlich ziemlich egal, hätten die Klimawandelskeptiker in Australien nicht mächtige Fans: keinen geringeren als Ministerpräsident John Howard und seine Regierung. Im Vorfeld hatte etwa Finanzminister Nick Minchin die Australier aufgerufen, sich Durkins Dokumentation von "vitaler Bedeutung" unbedingt anzuschauen.
Regierung hält Klimawandel-Thesen für grüne Verschwörung
Trotz des aufrüttelnden Weltklimaberichts der UN-Expertengruppe IPCC über den enormen menschlichen Beitrag zur globalen Erwärmung hat Australiens Regierung den Ernst der Lage offenbar noch immer nicht begriffen. Nach der Veröffentlichen des dritten Teils des IPCC-Reports vor zwei Monaten in Bangkok sagte Ministerpräsident Howard auf die Frage eines Fernsehreporters, wie er sich das Leben auf der Erde nach einem weltweiten Temperaturanstieg zwischen vier und sechs Grad vorstelle: "Nun ja, das wird für einige von uns etwas ungemütlicher, als es jetzt ist."
Den vom Menschen verursachten Klimawandel tut Howard als weltweites Komplott grüner Verschwörer gegen die freie Wirtschaft im Allgemeinen und der australischen im Besonderen ab. Mit dieser klimapolitischen Ignoranz liegt der konservative Howard auf der Linie von US-Präsident George Bush, dem er in den großen weltpolitischen Fragen blind folgt. Ganz wie sein Kumpel Bush hat Howard die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls verweigert, in dem die Vereinten Nationen Ziele für den Klimaschutz festgehalten haben. Dabei ist Australien der weltgrößte Treibhausproduzent pro Kopf.
Ausstrahlung angeordnet?
Noch in diesem Jahr wählt Australien ein neues Parlament; Wirtschaft und Wähler haben Klimapolitik zu einem der Top-Themen erklärt. Der "Klimaschwindel"-Film war nur der mediale Auftakt, um die Wählerschaft auf eine klimapolitische Initiative Howards einzustimmen: Bei der Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs der "Asia Pacific Economic Cooperation" (APEC) im September in Sydney will Howard die APEC-Staaten - darunter die größten Treibhausgasproduzenten USA, Indien und China - auf ein Post-Kyoto-Rahmenwerk verpflichten, das allein auf Freiwilligkeit und technische Lösungen wie Atomkraft setzt. Von einer solchen "Sydney Deklaration" und bunten Bildern von sich selbst Arm in Arm mit den Präsidenten Chinas, der USA, Indiens und Japans verspricht sich Howard die nötige Schubkraft, um bei den Wahlen eine fünfte Amtszeit zu erringen.
Bisher aber liegt die oppositionelle Labor-Partei in Meinungsumfragen seit Monaten stabil in Führung - da kann es Howard nur nützlich sein, in einer so wichtigen und komplexen Frage wie der nach den Ursachen für den Klimawandel für Verwirrung und Verunsicherung zu sorgen. ABC-Insider zumindest versichern in australischen Tageszeitungen, die Regierung habe die Ausstrahlung von "Der große Klima-Schwindel" angeordnet.
Zum einen wolle Howard durch die Debatte über den Film vom klima- und umweltpolitischen Versagen seiner Regierung ablenken. Zum anderen gehe es um "Rache" an dem regierungskritischen Sender, der es vor einigen Monaten gewagt hatte, in einer Dokumentation über Gewerkschaften die Arbeitnehmervertretungen in einem positiven Licht zu zeigen - der neokonservative Howard hatte durch eine radikale Reform des Arbeitsmarkts die Rechte von Arbeitnehmern und Gewerkschaften drastisch eingeschränkt.
Australier verunsichert
1,1 Millionen Zuschauer haben nach Angaben der ABC den "Klimaschwindel"-Film gesehen - ein Viertel aller Fernsehzuschauer. Am Tag nach der Ausstrahlung zeichnen nicht repräsentative Onlineumfragen ein widersprüchliches Bild der Volksstimmung. Auf die Frage der Melbourner Tageszeitung "The Age", ob der Klimawandel überbewertet werde, antworteten 75 Prozent mit einem klaren 'Nein'. Die ABC-Umfrage ergab jedoch eine knappe Mehrheit jener, die davon überzeugt ist, dass die Menschen keine Verantwortung für den Klimawandel haben. Die Wählerschaft ist verunsichert. Das wird John Howard freuen - Mission accomplished.