In der Arktis ist der Klimawandel bereits deutlich zu spüren. Das schmelzende Eis legt immense Rohstoffquellen offen, die rund um den Globus Begehrlichkeiten wecken. Am Mittwoch und Donnerstag treffen sich die Anrainerstaaten in Reykjavik, um über ihre Zusammenarbeit in der Nordpolregion zu beraten. Vor dem Treffen des Arktischen Rates, der 1996 zum Interessenausgleich zwischen ebenjenen Staaten und den in der Region lebenden indigenen Völkern gegründet wurde, richtete der russische Außenminister Sergej Lawrow eine deutliche Warnung an den Westen: Die Arktis sei russisches Territorium — alles, was Russland dort militärisch unternehme, sei "legitim", erklärte er.
Geografie: Das riesige Territorium der Arktis — 21 Millionen Quadratkilometer — erstreckt sich vom Nordpol bis zum Polarkreis über acht Länder: das zu Dänemark gehörende Grönland, Finnland, das diesjährige Gastgeberland Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden und den Bundesstaat Alaska der Vereinigten Staaten.
Lebensbedingungen: Die Lebensbedingungen in der Arktis sind extrem: Zeitweise fällt das Thermometer auf unter minus 50 Grad, in den Polarnächten herrscht rund um die Uhr Dunkelheit. Bei diesen Temperaturen und dem wenigen Licht ist die einzige Vegetation die Tundra — eine Landschaft aus sumpfigen Ebenen ohne Bäume. Auf dem Höhepunkt des Winters sind 14 Millionen Quadratkilometer Ozean mit Eis bedeckt. Im Sommer schmilzt es auf weniger als fünf Millionen Quadratkilometer.
Bevölkerung: Etwa vier Millionen Menschen leben in der Arktis. 500.000 Bewohner gehören verschiedensten indigenen Kulturen an wie den Inuit, den Aleuten, den Samen und den Jakuten. Seit 1996 gibt es den Arktischen Rat der Anrainerstaaten, der Umweltfragen und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Region diskutiert. Die Außenminister der Mitgliedstaaten treffen sich alle zwei Jahre.
Ökosystem: Die Arktis ist eine der letzten weitgehend unberührten Regionen der Welt. Sie beherbergt mehr als 20.000 bekannte Tier- und Pflanzenarten. Doch das arktische Ökosystem ist in Gefahr: durch Fischerei, Verkehr, Tourismus, die Suche nach Rohstoffen und vor allem durch den Klimawandel. Die Temperatur in der Arktis stieg seit den 1990er Jahren doppelt so schnell wie im Weltdurchschnitt. 2019 erlebte die Region das zweitheißeste Jahr seit 1900 und im vergangenen Jahr schmolz so viel Eis wie nie zuvor.
Während das Schmelzen des arktischen Packeises keinen Einfluss auf den Meeresspiegel hat, würde ein vollständiges Abschmelzen des riesigen grönländischen Eisschildes das Meeresniveau um sieben Meter steigen lassen. Die Erwärmung der Arktis gefährdet Arten wie Eisbären, Grönlandwale, Robben und Seevögel. Besorgniserregend sind auch die großen Brände in abgelegenen Gebieten und das Auftauen des Permafrostbodens, wodurch erhebliche Mengen des Treibhausgases Methan freigesetzt werden.
Rohstoffe: Schätzungen zufolge birgt die Arktis etwa 13 Prozent der unentdeckten Öl- und 30 Prozent der Erdgasreserven der Welt. Das Abschmelzen der Eisdecke macht die Öl- und Gasförderung einfacher und weckt nicht nur bei den Anrainern, sondern auch in weit entfernten Ländern wie China Begehrlichkeiten.
Für Russland hat die Ausbeutung der Bodenschätze Priorität. Auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump genehmigte die Suche nach Rohstoffen im größten Naturschutzgebiet in Alaska; sein Nachfolger Joe Biden stoppte jedoch die Pläne.
Territoriale Ansprüche: Neben dem Run auf Bodenschätze verschärfte sich in den vergangenen Jahren auch der Streit um territoriale Ansprüche. Die Regierungen in Moskau, Washington, Ottawa, Oslo und Kopenhagen wollen ihre Gebiete ausweiten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wurde dabei deutlich und hat den Westen vor Besitzansprüchen in der Arktis gewarnt: "Für jeden ist seit Langem vollkommen klar, dass dies unser Territorium ist, das ist unser Land". Aber auch Chinas Interesse wächst an der Region. Nicht nur wegen der natürlichen Ressourcen, sondern auch aufgrund der strategischen Lage und der Schiffsrouten.
Schiffsrouten: Angesichts des zurückgehenden Eises will Russland den Schiffsverkehr über die Nordostpassage ausbauen. In jüngster Zeit entstanden dort Militär- und Forschungsstützpunkte. Kanada will durch die Nutzung der nordwestlichen Passage vor seiner Küste die Distanz zwischen Atlantik und Pazifik deutlich verkürzen.