Ein Jahr nach dem Ausbruch der Vogelgrippe gibt es zwar keine Anzeichen für einen neuen Alarm in Deutschland. Doch die Tierseuche ist zurück in Europa. Neue Fälle in Großbritannien und Ungarn haben für Unruhe gesorgt. "Wir müssen sehr aufmerksam und vorsichtig vorgehen", sagt Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) deshalb. Und EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou betont: "Wir sollten nicht glauben, dass wir es geschafft hätten, die Krankheit zu tilgen."
Vor einem Jahr, am 14. Februar 2006, war es Gewissheit: Das auch für den Menschen gefährliche Virus H5N1 hatte Deutschland erreicht. Beim Katastrophenalarm auf Rügen war die Bundeswehr mit hunderten Soldaten im Einsatz, tausende Vögel wurden gekeult. "Das ist schleppend und unkoordiniert angelaufen", sagt Agrarstaatssekretär Gert Lindemann im Rückblick. Zwölf Monate danach ist Deutschland aus seiner Sicht gut gerüstet. "Ich bin guter Hoffnung, wenn es wieder losgehen sollte, dass wir es auf wenige Ausbrüche beschränken können." Es gebe eine Reihe von Instrumenten, um mit der Seuche fertig zu werden. Im vergangenen Jahr sei nur ein Geflügelhof in Deutschland von der Vogelgrippe betroffen gewesen.
Stallpflicht umstritten
Wildvögel werden weiterhin genau beobachtet. Dazu kommt die Stallpflicht: Das Federvieh muss grundsätzlich im Stall bleiben, die Länder haben aber großflächig Ausnahmen erlassen. Nur in risikoreichen Gebieten wie an Seen und in Regionen mit einer großen Zahl an Geflügel müssen die Tiere dauerhaft im Stall bleiben. Die Länder entscheiden am 16. Februar über eine Verlängerung der Regelung bis Oktober. Die Geflügelwirtschaft und das Geflügelland Niedersachsen verlangen eine obligatorische Stallpflicht. Das hält die Bundesregierung jedoch derzeit nicht für notwendig.
Die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Bärbel Höhn dringt wie der Bauernverband auf Impfen statt Keulen. "Vor einem Jahr haben auf Rügen Schlendrian und mangelnde Vorbereitung zur Verbreitung der Vogelgrippe beigetragen. Das darf sich nicht wiederholen." Deshalb müsse das Geflügel wie bei Tests in Frankreich und den Niederlanden geimpft werden. Auf der Geflügelfarm in Großbritannien, auf der die Vogelgrippe vor wenigen Tagen ausgebrochen war, mussten rund 160.000 Truthähne innerhalb von 48 Stunden getötet werden.
Forschungen an neuem Impfstoff
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner macht innerhalb der EU Widerstand gegen das Impfen aus. "Der einzige wunde Punkt bei der Tierseuchenpolitik ist, dass manche Länder noch sehr reserviert sind." Der Grund sei die Angst vor einem Importstopp. Das Friedrich- Loeffler-Institut für Tiergesundheit auf der Insel Riems entwickelt derzeit einen neuen Impfstoff. Damit könnten infizierte Tiere zwar noch nicht von geimpften Tieren unterschieden werden. Doch die Wirksamkeit sei höher, sagt Staatssekretär Lindemann.
Wissenschaftler sind sich noch nicht sicher, was die genaue Ursache der Übertragungswege betrifft - ob über Zugvögel oder über den weltweiten Handel. Die Vereinten Nationen zeigen sich besorgt über die weltweite Entwicklung. In Afrika gibt es immer wieder neue Vogelgrippe-Fälle bei Geflügel, aber auch bei Menschen, die an der Tierseuche sterben. Die Weltgesundheitsorganisation hat seit Ausbruch der Vogelgrippe mehr als 270 Infektionen von Menschen mit mehr als 160 Toten registriert. Dabei ist das enge Zusammenleben zwischen Mensch und Tier in Asien und Afrika aus Sicht von Experten ein großer Risikofaktor.
In Deutschland wurden in den vergangenen Wochen rund 1000 tote Wildvögel registriert - allerdings ohne H5N1-Virus. Der vergleichsweise milde Winter hat in den vergangenen Wochen dazu beigetragen, dass es ruhig blieb. Doch hundertprozentige Sicherheit gibt es bei der Vogelgrippe nicht: "Wir können nicht sicher sein, dass das Seuchengeschehen vorbei ist", warnt Lindemann.