Mit einem Aufruf zur gemeinsamen Bekämpfung von Völkermord und zur Verteidigung der Menschenrechte ist in New York der UN-Gipfel eröffnet worden, mit dem das 60-jährige Bestehen der Weltorganisation gefeiert werden soll. Nur Stunden zuvor hatten sich die 191 Mitgliedstaaten der Weltorganisationen in letzter Minute auf eine gemeinsame Grundsatzerklärung verständigt. Sie bleibt in fast allen Punkten hinter den gesteckten Zielen zurück.
Vor rund 160 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt warnte der amtierende Präsident der UN-Vollversammlung, Göran Persson, davor, dass Millionen Menschen sterben müssten, wenn es nicht gelänge, die Armut in der Welt zu reduzieren. "Wir würden dann der nächsten Generation eine weniger gerechte und weniger sichere Welt hinterlassen", erklärte der schwedische Ministerpräsident. Deutschland wird zunächst von der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, vertreten. Außenminister Joschka Fischer wollte am Donnerstagabend vor der Generalversammlung in New York reden.
UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete den Erklärungsentwurf als "wichtigen Schritt vorwärts". Allerdings hätten die UN "nicht alles bekommen", was sie wollten, bedauerte Annan. Der britische UN- Botschafter, Sir Emyr Jones Parry, nannte das 35-seitige Dokument eine "gute Grundlage für die bevorstehenden Verhandlungen". Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch und Oxfam vermissten jedoch "echte Ergebnisse" und meinten, die UN hätten "keinen Grund zu feiern". Auch Annan hielt nach eindringlichen Journalistenfragen mit Kritik nicht hinter dem Berg. Es habe "Spielverderber" gegeben, die "den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen haben".
Berlin gibt Bemühungen nicht auf
Die Bundesregierung will sich weiterhin um eine Reform des UN-Sicherheitsrates bemühen, auch wenn das Vorhaben vorerst gescheitert ist. Der stellvertretende Außenamtssprecher Jens Plötner sagte, der Entwurf des Abschlussdokuments des UN-Gipfels enthalte einen Hinweis auf die Dringlichkeit, das Gremium repräsentativer zu gestalten. Die Reform bleibe daher "weiter auf der Agenda", sagte Plötner in Berlin. Die Vierergruppe, zu denen neben Deutschland auch Indien, Brasilien und Japan zählen, streben einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat für sich und zwei weitere afrikanische Staaten an. Außerdem wollen sie den Kreis der nichtständigen Mitglieder erweitern.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Essen, kritisierte die Bemühungen Fischers um einen deutschen Sitz im Sicherheitsrat. Sie seien daran gescheitert, dass er nicht mit den USA über seine Pläne gesprochen habe. Ziel müsse es sein, die USA wieder aktiv in die Arbeit der Vereinten Nationen einzubringen. Deutschland könne auch bei einem europäischen Sitz im Sicherheitsrat eine große Rolle in den Vereinten Nationen spielen. Politiker aus Regierung und Opposition bedauerten, dass der Entwurf des Schlussdokuments nur ein kleinster gemeinsamer Nenner ist.
Rotstift im Reformentwurf
Der SPD-Politiker Rolf Mützenich beklagte, dass auf Drängen der USA jeglicher Verweis auf Abrüstung und Rüstungskontrolle aus dem Reformentwurf gestrichen wurde. Der Unionsabgeordnete Hermann Gröhe bemängelte, dass eine überzeugende Reform der UN-Menschenrechtsgremien zu scheitern drohe. "Bezeichnenderweise sperren sich Länder, die eine katastrophale Menschenrechtsbilanz vorweisen, wie zum Beispiel Russland und die Volksrepublik China, dagegen, dass an die Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat Bedingungen geknüpft werden", erklärte er.
Auch die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt erklärte: "Wir hätten uns mehr Deutlichkeit in den Teilen über einen erneuerten Menschenrechtsrat, die internationale Schutzverantwortung und die Reform des Sicherheitsrats gewünscht." Bedauerlich sei auch ein fehlender Konsens darüber, dass die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindert werden müsse. Die Grünen wollten aber Annan weiter in seinem Bemühen unterstützen, die Vereinten Nationen umfassend zu reformieren. Der Entwurf sei trotzdem ein "substanzielles Dokument".
"Reform wird es nicht geben"
Dagegen hält Uno-Experte Jens Martens eine Reform des Weltsicherheitsrates für ausgeschlossen. "Eine Reform des Sicherheitsrates wird es nicht geben", sagte der Geschäftsführer des Global Policy Forums Europe im "ZDF-Mittagsmagazin". Martens warf der Bundesregierung vor, sich allzu sehr auf den ständigen Sitz im Sicherheitsrat konzentriert zu haben: "Aus unserer Sicht ist dies sowohl ein politischer als auch diplomatischer Fehler gewesen. Denn am Ende ist nichts dabei herausgekommen."
Auch zu den grundsätzlichen Reformvorhaben äußerte sich Martens wenig zuversichtlich. "Die Ergebnisse der Abschlusserklärung stehen ja bereits fest. Was dort drin steht, wird den globalen Problemen der Armut und auch den Erfordernissen einer Stärkung der Vereinten Nationen überhaupt nicht gerecht." Grund dafür sei, dass die Interessen der USA im Widerspruch zu den anderen teilnehmenden Staaten stünden, sagte Martens. Man könne sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. "Die USA würden die Uno gerne als Marionette sehen, aber auf der anderen Seite stehen die G-77-Staaten, also die Gruppe der Entwicklungsländer, und deshalb neutralisieren sich die Interessen oft. Das ist der Grund, wieso wir nur ein verwässertes Abschlussergebnis haben werden."