Die internationalen Vorstöße von Nicolas Sarkozy sind berüchtigt. Vom Atomhandel über die EZB-Schelte bis zur Mittelmeerunion - schon mehrfach säte der französische Staatspräsident im ersten Amtsjahr Misstrauen in Berlin. Die jüngste Initiative dagegen ist hoch willkommen: Paris wagt das Nato-Comeback, 40 Jahre nach dem Ausstieg aus der militärischen Struktur des Bündnisses.
Der geplante Türöffner, die Entsendung von 1000 zusätzlichen französischen Soldaten nach Afghanistan, ist für die Bundesregierung ein Segen. Kaum hatte Sarkozy in London Verstärkung für die Nato-Truppen am Hindukusch angekündigt, rückte US-Präsident George W. Bush von seiner Forderung ab, Berlin müsse sich im umkämpften Süden des Landes engagieren.
"Da gibt es einen Zusammenhang", sagt Henning Riecke, Nato-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Das Ultimatum Kanadas, ohne Hilfe der Verbündeten seine Truppen aus Kandahar abzuziehen, hatte den Druck auf Berlin erheblich erhöht. "Durch die Aufstockung des französischen Kontingentes entspannt sich die Lage", so Riecke.
Natürlich hat Sarkozy mit dem Afghanistan-Engagement anderes im Sinn, als Kanzlerin Angela Merkel vor dem Nato-Gipfel in Bukarest aus der Patsche zu helfen. Der ehrgeizige Präsident will sein Land zurück in die Kommandostruktur des Nordatlantik-Bündnisses führen. Für die Absicht, bei den Partnern Vertrauen zu wecken, nimmt "Sarkozy, der Amerikaner" erbitterten innenpolitischen Widerstand hin: Die Sozialisten warnen, die französischen Soldaten würden in Afghanistan "in ein neues Vietnam" geführt.
Und nicht nur Zentrumspolitiker Francois Bayrou sieht Sarkozy auf dem Weg zum "Erfüllungsgehilfen" Washingtons. Dabei geht es dem Staatschef darum, den Pariser Einfluss in der Nato zu stärken und eine "europäische Kohärenz" zu erreichen. Von einer Revolution der französischen Position könne daher keine Rede sein, sagt Riecke, "eher von der Beseitigung einer Anomalie."
Gründungsmitglied der Nato
Frankreich gehörte 1949 zu den Gründungsmitgliedern des Nordatlantik-Bündnisses. Charles de Gaulle beschloss aber 1966 den Rückzug aus der Kommandostruktur und weigerte sich, Truppen unter Nato-Kommando zu stellen oder Nato-Stützpunkte im eigenen Land zu dulden. Das Hauptquartier musste von Paris nach Brüssel verlegt werden. Die Entscheidung hatte das transatlantische Verhältnis für viele Jahre gestört. General de Gaulle wollte mit seinem Schritt die französische Unabhängigkeit sicherstellen. Er schloss Paris dadurch jedoch von den strategischen Entscheidungen des Bündnisses aus.
Die Entscheidung Sarkozys stößt bei seinen Landleuten allerdings auf Widerstand. Laut einer Umfrage sind 68 Prozent der Franzosen dagegen, dass Frankreich nun seine Truppenpräsenz in Afghanistan massiv aufstocken will. Auch die französische Militärführung hält nicht viel von der angekündigten Entsendung. Generalstabschef Jean-Louis Georgelin beschrieb die Lage in Afghanistan kürzlich noch als "immer unkontrollierbarer".
Nun soll die Wiederaufnahme des verlorenen Sohnes im kommenden Jahr auf dem Nato-Jubiläumsgipfel zum 60-jährigen Bestehen vollzogen und gefeiert werden. Dazu passt, dass der Gipfel in der Grenzregion Straßburg/Kehl stattfinden wird. Sarkozy und Merkel wollten mit dieser "Geste der deutsch-französischen Freundschaft" die Bedeutung der Nato für den Frieden in Europa unterstreichen, teilte die Bundesregierung am Dienstag mit.
Wieder zum Musterschüler der Nato werden
Hinter dem Streben Frankreichs, wieder ein Musterschüler der Nato zu werden, steckt aber noch ein anderes Motiv: Sarkozy hat den Aufbau einer unabhängigen europäischen Verteidigung zu einem vorrangigen Ziel der im Juli beginnenden französischen EU-Ratspräsidentschaft auserkoren. Die bisherige militärische "Infantilisierung" schade der EU, kritisierte Verteidigungsminister Morin Anfang des Jahres. "Wir müssen vermeiden, Spielball der Politik anderer zu sein." Mit dem klaren Bekenntnis zur Nato soll Washington und anderen Skeptikern nun die Sorge genommen werden, Paris wolle in der EU ein militärisches Konkurrenzbündnis schmieden: Für Sarkozy beginnt die europäische Verteidigung am Hindukusch.