Fast zwei Monate nach dem Amtsantritt der Übergangsregierung von Ministerpräsident Hamid Karsai ist die Lage in Afghanistan immer noch von Gewalt und Unsicherheit geprägt. Aufgebrachte Mekka-Pilger erschlugen am späten Donnerstagabend den Minister für Luftfahrt und Fremdenverkehr, Abdul Rahman. Am Freitag kam es vor Beginn eines Fußball-Freundschaftsspiels in Kabul zu Tumulten, bei denen rund 50 Menschen verletzt wurden.
Das Kontingent der Bundeswehr in Afghanistan verstärkte daraufhin seine Sicherheitsmaßnahmen. Das teilte Generalmajor Hans-Otto Budde am Freitag der in Regensburg erscheinenden »Mittelbayerischen Zeitung« mit.
Von muslimischen Pilgern angegriffen
Wie ein Sprecher der Übergangsregierung am Freitag mitteilte, wurde Rahman von muslimischen Pilgern angegriffen, die über Verzögerungen beim Abflug nach Mekka verärgert waren. Rahman wollte den Angaben zufolge nach Neu-Delhi reisen. Hunderte Pilger, die schon seit dem Vormittag auf ihr Visum für Saudi-Arabien und den Abflug nach Mekka gewartet hatten, blockierten aus Verärgerung die Maschine des Ministers. Als dieser ausstieg, um die Menge zu beruhigen, sei er sofort angegriffen und tödlich verletzt worden. In anderen Berichten hieß es, die Menge habe das Flugzeug gestürmt, Rahman angegriffen und seinen Leichnam auf das Rollfeld geworfen.
Am Freitagmorgen wurde der Flughafen von afghanischen Sicherheitskräften abgeriegelt. Das Kabinett von Regierungschef Karsai kam nach dem Tod Rahmans zu einer Krisensitzung zusammen. Ein Sprecher erklärte, die Ereignisse am Flughafen sollten untersucht werden. Der 49-jährige Arzt Rahman lebte während der Herrschaft der Taliban im indischen Exil.
»Es ist alles so schnell gegangen«
Der Tod Rahmans löste erneut Diskussionen über die Rolle der internationalen Truppe aus. Ein Kontingent britischer und französischer Soldaten hielt sich zum Zeitpunkt des Vorfalls rund 500 Meter entfernt auf dem militärischen Teil des Flughafens auf, griff aber nicht ein. Die Soldaten bekamen offenbar nicht mit, dass die Lage außer Kontrolle geraten war. Ein Sprecher der Truppe sagte, es sei alles so schnell gegangen. Er verwies außerdem darauf, dass der zivile Teil des Flughafens unter der Aufsicht der afghanischen Behörden stehe.
Als es am Freitag zu Tumulten vor dem Fußballspiel zwischen einer afghanischen Auswahl und einer Mannschaft der Friedenstruppe kam, setzte afghanische Polizei Knüppel und Rauchgranaten gegen die Menge ein. Soldaten der Friedenstruppe feuerten Warnschüsse in die Luft. Das Stadion war zu dem Zeitpunkt mit 30.000 Menschen überfüllt. Zu den Ausschreitungen kam es, als Fußballfans, die keinen Platz mehr bekommen hatten, sich gewaltsam Zutritt zu der Sportarena verschaffen wollten.
Straw in Kabul
Inmitten der angespannten Lage traf am Freitag der britische Außenminister Jack Straw in Kabul ein. Er drückte seinem afghanischen Kollegen Abdullah sein Mitgefühl über den Tod Rahmans aus.
Unterdessen wurde der ehemalige Taliban-Gouverneur der Provinz Herat in einem pakistanischen Dorf an der Grenze zu Afghanistan festgenommen. Die pakistanischen Behörden teilten mit, Chairullah Chrerchawa habe seit dem Sturz der Taliban in dem Dorf Schaman unbeachtet von der Öffentlichkeit gelebt.