Anarchie Familienausflug zum Palast-Plündern

Ganze Familien sind mit dem Ausrauben von Bagdads Palästen beschäftigt. Sie brechen Marmor von den Wänden, schleppen Statuen aus den Gartenanlagen und räumen Möbel ab. Saddams einstige Herrschaftssitze liegen in Trümmern.

"So hat der gelebt, während wir noch nicht einmal Brot hatten!" Einwohner von Bagdad stehen fassungslos im Präsidentenpalast El Salam am Westufer des Tigris - und nehmen mit, was noch zu kriegen ist. Ganze Familien, mit Frauen im schwarzen Tschador und vielen Kindern, fahren mit dem Auto oder Eselskarren zum Plündern.

Auch Wandfresken werden zerstört

Die Menschen brechen den Marmor von den Wänden, schleppen Statuen aus den Gartenanlagen ab und räumen Möbel ab. Selbst die Wandfresken bleiben nicht unbehelligt. Jemand wirft eine Handgranate in den Teich - und zieht mit Plastiktüten voll toter Fische von dannen. Auf den Wegen liegen Scherben von Kristallleuchtern und Spiegeln.

Zu besonders schweren Plünderungen kommt es in den westlichen Außenbezirken der Hauptstadt, wo eine schwarze Rauchwolke in den Himmel steigt. Auch hier sind ganze Familien mit dem Ausrauben der Kasernen und Militärlager beschäftigt, die sich kilometerlang an einer Straße mit ausgebrannten Panzern aneinander reihen. Aus einem Lager im Bezirk Abu Ghreib werden Toiletten, Spülbecken und Badewannen weggeschleppt.

Plünderer übernehmen Doppeldeckerbusse

Geplündert werden das Landwirtschaftsministerium und andere Behördengebäude. Ein militärisches Forschungsinstitut an der Palästina-Straße im Zentrum geht in Flammen auf - möglicherweise ein Brandanschlag. An einigen Stellen der Stadt übernehmen die Plünderer Doppeldeckerbusse, um ihr Raubgut nach Hause zu bringen. Die US-Truppen richten einige Straßensperren ein und durchsuchen Fahrzeuge aus dem Westen Bagdads. Hunderte von voll beladenen Autos strömen am Nachmittag ins Zentrum zurück.

Dort ist es am Sonntag etwas ruhiger als an den Vortagen, sogar einige Geschäfte sind wieder geöffnet, Kinder spielen Fußball. Aber der Ärger ist groß, dass die US-Truppen dem viertägigen Plündern mehr oder weniger tatenlos zugeschaut haben. An einer Wand hat jemand auf Englisch geschrieben: "Bush supports looters" - "Bush unterstützt Plünderer".

Hamza Hendawi