Anschlag auf Konzerthalle "Die Ermittlungen dauern an": Kreml schürt Zweifel an IS-Bekenntnis zum Anschlag in Moskau

Beamte des russischen Ermittlungskomitees beseitigen die Trümmer der Crocus City Hall am Stadtrand von Moskau
Beamte des russischen Ermittlungskomitees besichtigen die Trümmer der Crocus City Hall am Stadtrand von Moskau. Maskierte Angreifer waren hier am Freitagabend eingedrungen und hatten das Feuer eröffnet.
© Russian Investigative Committee / TASS
Die russische Führung gibt sich nach dem tödlichen Anschlag auf Besucher eines Konzerts bei Moskau weiterhin nicht davon überzeugt, dass die radikalislamische IS-Miliz für die Tat verantwortlich sein soll.

Auch drei Tage nach dem Angriff auf einen Konzertsaal am Stadtrand von Moskau mit 137 Toten hat es der Kreml abgelehnt, sich zum Bekenntnis der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zur Tat zu äußern. "Die Ermittlungen dauern an", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag zu Reportern. Es wäre unpassend, sich zu den Bekennerangaben des IS zu äußern, so lange die Untersuchungen noch im Gange seien. "Es wurde noch keine kohärente Version vorgebracht", sagte Peskow weiter. "Wir sprechen nur über vorläufige Daten." 

Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa wiederum richtete sich in einem Gastbeitrag für eine russische Zeitung direkt an die USA, die die Angaben des IS für glaubwürdig halten. "Achtung – eine Frage an das Weiße Haus: Sind Sie sicher, dass es der IS war? Könnten Sie darüber noch mal nachdenken?" Sacharowa warf den USA vor, das IS-Schreckgespenst heraufzubeschwören, um von ihren "Schützlingen" in Kiew abzulenken.

Vier Angreifer töten mehr als 130 Menschen in Moskauer Konzerthalle

Maskierte Angreifer waren am Freitagabend in die voll besetzte Crocus City Hall im nordwestlich gelegenen Moskauer Vorort Krasnogorsk eingedrungen und hatten dort das Feuer eröffnet. Nach Angaben des russischen Ermittlungskomitees vom Sonntag wurden mindestens 137 Menschen getötet, darunter drei Kinder.

Die Behörden erwarten, dass die Zahl der Todesopfer noch steigt. Rettungskräfte würden noch bis Dienstagabend in den Trümmern des Konzertsaals nach Toten suchen, erklärte Andrej Worobjow, Gouverneur der Region Moskau. 97 Menschen befanden sich noch im Krankenhaus. Insgesamt wurden 182 Menschen bei dem Angriff verletzt.

IS bekennt sich zum Anschlag, Putin suggeriert Verbindung zur Ukraine

Kurz nach dem Angriff reklamierte die Dschihadistenmiliz die Tat für sich und bekräftigte dies später mehrfach. Dem IS nahestehemde Medienkanäle haben zudem Videos von den Bewaffneten in dem Konzertsaal veröffentlicht. Der russische Präsident Wladimir Putin stellte hingegen eine Verbindungslinie zwischen dem Angriff und der Ukraine her. Die Regierung in Kiew weist jegliche Verwicklung in den Angriff zurück.

Das russische Staatsfernsehen erwähnte am Montag weder den IS noch die Ukraine, berichtete aber, dass die Schulen des Landes spezielle Unterrichtsstunden zum Thema Terrorismus abhalten würden. Der russische Präsident Wladimir Putin plane nicht, den Tatort zu besuchen, sagte Peskow überdies. Für den Staatschef steht am Montag noch ein Treffen mit Verantwortlichen aus dem Sicherheitsbereich und politischen Vertretern an.

Festgenommene Verdächtige gefoltert? 

Am Sonntag hatte die russische Justiz zweimonatige Untersuchungshaft für vier Beschuldigte angeordnet. Von den vier Verdächtigen bekannten sich nach Gerichtsangaben zwei schuldig. Peskow weigerte sich am Montag, auf eine Frage zu Berichten zu antworten, nach denen die Männer nach ihrer Festnahme gefoltert wurden. "Ich werde diese Frage unbeantwortet lassen", sagte der Kreml-Sprecher. Auf den im Staatsfernsehen gezeigten Aufnahmen hatten drei der Männer Blut im Gesicht. Ein im Internet verbreitetes Video scheint zu zeigen, wie einem Verdächtigen das Ohr durchtrennt wird, die Echtheit der Aufnahme konnte aber nicht verifiziert werden.

Einer der russischen Oppositionellen im Exil, Leonid Wolkow, verurteilte am Montag einen Versuch der Sicherheitsdienste, mit der Veröffentlichung dieser Videos von ihrer "Machtlosigkeit" und ihrem "Scheitern" ablenken zu wollen.

Während der Anhörungen der Männer am Sonntagabend vor dem Bezirksgericht im Moskauer Distrikt Basmanny hatte einer von ihnen einen weißen Verband am Ohr. Beamte des Inlandsgeheimdienstes FSB rollten einen der Verdächtigen auf einer Art Krankentransportstuhl in die Anhörung, seine Augen waren kaum geöffnet.

Macron: IS-Ableger für Anschlagsversuche in Frankreich verantwortlich

Nach Berichten russischer Staatsmedien sollen alle tadschikische Staatsbürger sein. Zu den sieben weiteren Verdächtigen, die im Zusammenhang mit dem Angriff nach Angaben des Kreml festgenommen wurden, wurden zuletzt keine weiteren Angaben bekannt.

Auf Vorwürfe, wonach Russlands Spezialdienste versagt hätten, entgegnete Peskow am Montag: "Leider zeigt sich in unserer Welt, dass keine Stadt und kein Land vollständig immun gegen die Bedrohung des Terrorismus ist." Die Spezialdienste arbeiteten unermüdlich daran, Russland zu verteidigen. "Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein fortlaufender Prozess, der eine umfassende internationale Zusammenarbeit erfordert. Aber Sie können sehen, dass diese Zusammenarbeit jetzt, in dieser äußerst akuten Konfrontationsphase, in keiner Weise vollständig umgesetzt wird."

Zahlreiche Länder hatten die Tat von Krasnogorsk verurteilt. Der französische Präsident Emmanuel Macron bot Russland am Montag eine "verstärkte Zusammenarbeit" mit Blick auf die Terrorbekämpfung an. Der am Angriff "beteiligte" Ableger des IS sei "für mehrere Anschlagsversuche in den vergangenen Monaten" in Frankreich verantwortlich, sagte Macron.

AFP · Reuters
yks