Wirbel um Juncker-Äußerungen Arroganz der EU-Spitze: Juncker wettert über die Italiener wie einst Merkel über die Griechen

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker läutet eine Glocke - Er belehrt die Italiener und handelt sich Ärger ein
Härter arbeiten und weniger korrupt sein - das rät EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker den Italienern und erntet heftigen Widerspruch
© Geert Vanden Wijngaert/AP / DPA
In Brüssel liegen die Nerven blank. EU-Kommissionspräsident Juncker belehrt die Italiener wie einst Angela Merkel Griechen, Spanier und Portugiesen. Protest kommt prompt. Der nächste Graben innerhalb der EU.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat mit Äußerungen über Korruption in Italien und einer Klage über Schuldzuweisungen aus Rom an die EU neue Empörung geschürt. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sprach auf Twitter von inakzeptablen Sätzen und verlangte ein sofortiges Dementi. Eine Sprecherin Junckers erklärte daraufhin noch in der Nacht zum Freitag, die Bemerkungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden.

Juncker hatte laut einem Bericht des "Guardian" gesagt: "Die Italiener müssen sich um die armen Regionen Italiens kümmern. Das bedeutet mehr Arbeit, weniger Korruption, Ernsthaftigkeit." Er fügte der britischen Zeitung zufolge hinzu: "Wir werden ihnen helfen, so wie wir es immer getan haben. Aber spielt nicht das Spiel, die Verantwortung bei der EU abzuladen. Ein Land ist ein Land, eine Nation ist eine Nation. Staaten zuerst, Europa an zweiter Stelle."

Christdemokrat Tajani greift Juncker vehement an

Die Äußerungen lösten heftige Reaktionen in Italien aus - nur wenige Tage nach einem umstrittenen Interview des deutschen Kommissars Günther Oettinger und unmittelbar vor der Vereidigung der neuen Regierung aus fremdenfeindlicher Lega und populistischer Fünf-Sterne-Bewegung an diesem Freitag. Der italienische Christdemokrat Tajani twitterte: "Ich fordere den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean Claude Juncker, auf, sofort die ihm zugeschriebenen Sätze zu dementieren, denn wären sie wahr, wären sie inakzeptabel."

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Junckers Sprecherin Mina Andreeva dementierte die Sätze nicht, erklärte aber auf Twitter, sie seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. "In einer geschlossenen Fragerunde bezog sich Präsident Juncker auf die strukturellen Probleme der Region Süditalien, wo die EU viel getan hat, um EU-Mittel zur Förderung von Wachstum und Jobs zu mobilisieren. Die Absorption dieser Mittel könnte verbessert werden, damit die Menschen die Ergebnisse schneller spüren." Die EU werde weiter mit Italien zusammenarbeiten, damit die Hilfe rasch da ankomme, wo sie gebraucht werde. Sie fügte hinzu: "Der Kampf gegen Korruption ist eine vorrangige Aufgabe in ganz Europa und muss auf allen Ebenen angegangen werden."

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Ungute Erinnerung an Fauxpas von Merkel

Dennoch wecken die Aussagen Junckers ungute Erinnerungen. Fast genau vor sieben Jahren hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im Zusammenhang mit der Euro- und Griechenland-Krise zu Äußerungen hinreißen lassen, die wenig respektvoll gegenüber Bürgern aus den südlichen EU-Staaten waren. Dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien und Portugal nicht früher in Rente gehen könne als in Deutschland", hatte die Kanzler damals öffentlich gesagt. Und weiter: "Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig."

Dass aus diesen Worten nicht viel mehr sprach als gängige Vorurteile, wurde der Kanzlerin anhand von OECD-Statistiken seinerzeit schnell aufgezeigt. Viel nachhaltiger war aber der immaginäre Graben, der dadurch zwischen dem eher reichen Norden und dem vergleichsweise Armen Süden der EU gezogen wurde. Auch wenn sich Griechenland mithilfe der EU wirtschaftlich erholt hat, hallt der Vorwurf der Arroganz und Bevormundung gegenüber Brüssel nach. Die Reaktionen auf seine Italien-Äußerung zeigt, dass Juncker diesen Graben zum Süden der Gemeinschaft neu aufgerissen hat. Und dass zu einem Zeitpunkt, da in Italien eine Europa-kritische populisitsche Regierung die Macht übernimmt - so wie schon in Ungarn und Polen. Am Vormittag manifestierte sich mit dem Sturz von Mariano Rajoy auch noch die Regierungskrise in Spanien. Trotz vielfach begründeter Kritik an einzelnen Mitgliedsstaaten: Brüssels vordringlich Aufgabe scheint zunehmend zu sein, den Laden zusammenzuhalten. Anderen öffentlich Vorhaltungen zu machen, hat bisher dabei wenig geholfen.

DPA
dho mit