Die syrischen Streitkräfte haben ihren Beschuss von Wohngegenden in Hama fortgesetzt. Anwohner berichteten, das Militär habe den zentralen Orontes-Platz besetzt. "Alle Kommunikationswege sind abgeschnitten", sagte ein Anwohner der Nachrichtenagentur Reuters per Satellitentelefon. "Das Regime nutzt es aus, dass die Medien sich auf den Prozess gegen Husni Mubarak konzentrieren, um Hama fertigzumachen." Die Ölstadt Deir Essor im Osten des Landes wird nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte von rund 200 Panzern belagert. Ingsesamt drei Tote gab es den Angaben zufolge in Rakka im Nordosten und in der Küstenstadt Dschableh bei Demonstrationen.
Zuvor hatten Aktivisten berichtet, dass bereits am Dienstagabend Bewohner von Hama vor Panzern unter Treppen und in Schutzräume geflüchtet seien. Rauch habe die Innenstadt bedeckt. Krankenwagen hätten weder zu Toten noch zu Verwundeten durchkommen könnte, sagte ein Aktivist in der Hauptstadt Damaskus der Nachrichtenagentur DPA. Trotz der dramatischen Ereignisse konnte sich der Weltsicherheitsrat bisher nicht über eine Resolution, die das Regime von Machthaber Baschar al-Assad verurteilt, durchringen können. In den USA ansässige syrische Oppositionelle haben die Führung in Washington aufgefordert, Assad zu einem Machtverzicht zu bewegen.
Präsident Barack Obama müsse das syrische Volk unterstützen und Assad "zum sofortigen Rücktritt auffordern", sagte der Oppositionelle Radwan Ziadeh nach Gesprächen mit US-Außenministerin Hillary Clinton. Washington müsse zudem im UN-Sicherheitsrat auf weitere Sanktionen gegen die syrische Führung dringen. Es war das erste Treffen Clintons mit in den USA ansässigen syrischen Dissidenten.
Panzerschützen nehmen Moscheen ins Visier
Der in Washington lebende syrische Dissident Mohammad Alabdalla fügte hinzu, Druck seitens der USA würde "noch mehr Syrer auf die Straße bringen". Clinton selbst hatte am Montag vor einem ersten Treffen im UN-Sicherheitsrat zu Syrien das Gremium zu einer Verurteilung der syrischen Führung angesichts der Gewalt gegen Demonstranten aufgefordert.
Seit Monaten gehen die syrischen Streitkräfte brutal gegen die Protestbewegung vor. Am Wochenende war die Armee mit Panzern in die Protesthochburg Hama eingerückt, Schätzungen der UN zufolge starben dabei rund 140 Menschen. Zuletzt konzentrierten die Panzer ihr Feuer auf Gebiete in der Nähe von Moscheen, um nächtlich Proteste zu verhindern, hieß es. Die syrische Protestbewegung hatte erklärt, sie wolle während des Fastenmonats Ramadan jede Nacht demonstrieren. Am Montag, dem ersten Tag des Ramadan, waren nach dem Fastenbrechen Zehntausende Menschen auf die Straßen geströmt.
"Bewaffnete Truppen von Saboteuren"
Die Militärkampagne in Hama geht inzwischen in ihren vierten Tag. Es blieb weiter schwierig, nachprüfbare Informationen zu bekommen. Beim Beschuss mit Panzergranaten seien am Dienstagabend mindestens fünf Menschen getötet worden, berichteten syrische Aktivisten im Internet. Am Sonntag hatte es bei Angriffen möglicherweise rund 100 Tote gegeben.
Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete indes, dass "bewaffnete Gruppen von Saboteuren" den Justizpalast in Hama gestürmt hätten. "Hunderte von vermummten Männern auf Motorrädern" hätten das Gebäude überfallen und in Brand gesteckt. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder bewaffneter Zivilisten auf einem Platz in Hama. In einer Menschenmenge waren einige Männer zu sehen, die Gewehre oder Schwerter trugen.
Italien zieht Botschafter zurück
Unterdessen hat das brutale Vorgehen des Assad-Regimes gegen die Demonstranten, Folgen auf dem diplomatischen Parkett. So hat Italien seinen Botschafter in Damaskus nach Rom zurückgerufen. Außenminister Franco Frattini schlug zugleich vor, dass alle EU-Länder diesem Schritt folgen. Das italienische Außenamt sprach von einer "entsetzlichen Repression" in Syrien.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stieg nach zähen Verhandlungen am Dienstag erstmals in konkrete Textverhandlungen ein. Nach langen Gesprächen konnte sich das mächtigste UN-Gremium zwar noch nicht auf ein einheitliches Handeln gegenüber Syrien einigen. Allerdings gelang es nach Angaben aus westlichen Diplomatenkreisen erstmalig, in ernsthafte Gespräche zu einer möglichen Reaktion auf die eskalierende Gewalt in Syrien einzusteigen.
Russland und China blockieren weiter
Grundlage für die Beratungen war zunächst der seit bereits zwei Monaten vorliegende Resolutionsentwurf der europäischen Mitglieder des Sicherheitsrates. Laut Teilnehmerkreisen gelang es den Europäern, die bislang eher zögerlichen Regierungen Indiens, Brasiliens und Südafrikas aktiv in die Textverhandlungen einzubeziehen. Es hieß, dadurch sei überhaupt erst ein Einstieg in Verhandlungen mit Russland und China möglich geworden. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin trat nach dem Verhandlungsmarathon allerdings vor die Presse und verkündete nur, dass es keine Ergebnisse gegeben habe.
Auch wenn der amtierende deutsche UN-Botschafter Miguel Berger den Beginn der Textverhandlungen als einen ersten Fortschritt bezeichnete, so dämpfte er am Rande der Sitzung die Erwartungen: "Wir haben uns zwar auf einen Text als Verhandlungsgrundlage geeinigt - in diesem sind allerdings noch einige substanziell strittige Punkte enthalten. Hier müssen wir noch Lösungen finden." Es hieß, dass man jetzt zunächst die Hauptstädte mit dem vorläufigen Zwischenstand befassen wolle. Immerhin: Die Verhandlungen werden fortgeführt.