Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko ist nach offiziellen Angaben in ein Krankenhaus verlegt worden, wo ihr Rückenleiden behandelt werden soll. Sie werde dort die Behandlung erhalten, die deutsche und ukrainische Ärzte empfohlen hätten, teilte die Gefängnisverwaltung am späten Freitagabend mit. Timoschenko hatte sich bislang geweigert, in das nahe am Gefängnis von Charkiw gelegene Krankenhaus zu gehen, das von der staatlichen Bahngesellschaft betrieben wird. In Deutschland hatte sich die Berliner Charité zur Behandlung Timoschenkos bereiterklärt. Das lehnten die ukrainischen Behörden aber ab.
Der Chef der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, und der Leiter der Orthopädie, Norbert Haas, hatten am 13. April gemeinsam mit einem Vertreter des Bundeskanzleramts die Klinik inspiziert und erklärt, dass diese nicht für die Behandlung von Timoschenko geeignet sei. Im Februar hatten die beiden Spezialisten die über extreme Rückenschmerzen klagende Politikerin im Straflager untersucht. Timoschenko war im Oktober 2011 in einem umstrittenen Prozess wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Gegen die Politikerin, die in einem früheren Verfahren bereits zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, hat am Donnerstag ein neuer Prozess begonnen. Dabei werden ihr Steuerhinterziehung und Betrug in ihrer Zeit als Chefin der Gasfirma UES in den 1990er Jahren vorgeworfen. Außerdem geht die Staatsanwaltschaft dem Vorwurf nach, Timoschenko sei in den Auftragsmord an einem einflussreichen Unternehmer und Abgeordneten verwickelt. Sie bestreitet alle Vorwürfe und hat erklärt, der Prozess sei politisch motiviert, um die Opposition gegen Präsident Viktor Janukowitsch unter Druck zu setzen. Solange Timoschenko im Krankenhaus ist, muss sie nicht an dem Verfahren teilnehmen, bei dem ihr zwölf weitere Jahre Haft drohen. Es ist aber unklar, ob ihr eine neue Strafe auf die bisher abgesessene Zeit angerechnet oder darauf aufgeschlagen würde. Die Berliner Ärzte hatten sie für verhandlungsunfähig erklärt.
Leitfigur der Orangenen Revolution
Auch die Europäische Union (EU) hat die Verfahren kritisiert und gewarnt, ihre Mitgliedsländer würden Verträge über eine politische Assoziierung und freien Handel mit der Ukraine nicht ratifizieren, solange Timoschenko in Haft sei.
Timoschenko war eine der Leitfiguren der Orangenen Revolution von 2004, die Janukowitschs damaligen Griff zur Macht verhinderte. Sie war danach Ministerpräsidentin. 2010 verlor sie knapp die Präsidentenwahl gegen Janukowitsch.