Annalena Baerbock kauft einen Bagel, fährt im gelben Taxi durch New York und steigt mit High Heels aus dem Wagen: Mit Gute-Laune-Videos und Anspielungen auf die Kultserie "Sex and the City" wirbt die Grünen-Politikerin auf Instagram um Aufmerksamkeit für die 80. UN-Generalversammlung, die am Dienstag beginnt und die Baerbock als neue Präsidentin leitet.
Baerbocks bunte Bilderwelt steht im Kontrast zur weit verbreiteten Krisenstimmung. Die geplante Anerkennung eines Palästinenserstaats durch Frankreich und andere Länder sorgt für Streit unter einigen der 193 UN-Mitgliedstaaten. Außerdem stellt US-Präsident Donald Trump die internationale Zusammenarbeit auf beispiellose Art infrage.
"Internationale Kooperation und Diplomatie wird mehr denn je gebraucht", stellt Baerbock in ihrem Bagel-Video auf Englisch fest – natürlich mit deutschem Akzent, denn das seien die Online-Nutzer aus ihrer Zeit als Außenministerin so gewohnt, sagt sie.
Schreibt Annalena Baerbock Geschichte?
Der neue deutsche UN-Botschafter Ricklef Beutin formuliert es in einem eigenen Video so: "Wir brauchen Zusammenarbeit statt Spaltung", sagt Beutin, der eigentlich "Ständiger Vertreter Deutschlands" heißt. "Deutschland möchte dazu beitragen, die Vereinten Nationen wendiger, effektiver und fitter zu machen."
Ähnliches hat auch Baerbock als Parole für ihr einjähriges Mandat ausgegeben. Den bisher rein protokollarischen Präsidenten-Posten will sie nutzen, um die Reform der Vereinten Nationen voranzutreiben und bei der Suche nach der womöglich ersten UN-Generalsekretärin in der 80-jährigen Geschichte der Institution zu helfen.
Die Frage, ob sie sich selbst als Nachfolgerin des scheidenden Generalsekretärs António Guterres sieht, ließ Baerbock bei ihrer Wahl im Juni unbeantwortet. Die 44-Jährige würde damit gleich mehrfach Geschichte schreiben: Sie wäre nicht nur die erste Frau als UN-Generalsekretärin, sondern auch die erste Deutsche. Vermutlich wäre sie auch die jüngste bei Amtsantritt.
Mehr Aufschluss dürfte die Rede liefern, die Baerbock am späten Dienstagabend deutscher Zeit zur Eröffnung der 80. Generalversammlung hält. In den kommenden zwei Wochen schließen sich Beratungen auf Botschafter- und Ministerebene an.
Mitgliedsländer planen Anerkennung von Palästinenserstaat
Ein erster Höhepunkt wird am 22. September erwartet: Dann wollen Frankreich und womöglich weitere Länder wie Großbritannien, Kanada und Belgien einen Palästinenserstaat anerkennen. Macron begründet seinen Vorstoß offiziell mit dem Engagement "für einen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten".
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wirft ihm hingegen eine "Belohnung für Terror" der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen vor, er ließ Macron kurz vor der UN-Tagung zur unerwünschten Person in Israel erklären. Diese Vorwürfe dürfte Netanjahu bei seinem New Yorker Auftritt wiederholen. Er ist im Rahmen der sogenannten "hochrangigen Debatte" der Staats- und Regierungschefs in der Woche ab dem 23. September geplant.
Deutschland ist durch den Konflikt in eine Zwickmühle geraten. Der offizielle Wortlaut der Bundesregierung lautet deshalb, "kurzfristig" plane sie keine Anerkennung eines palästinensischen Staats. Ob Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) diese Haltung persönlich bei der UN verteidigt, ist offen. Wegen der Haushaltswoche im Bundestag Ende September gilt es als wahrscheinlich, dass Merz sich durch Außenminister Johann Wadephul (CDU) vertreten lässt.
Trump-Regierung verhängte Sanktionen gegen UN-Vertreter
Macron weiß eine komfortable Mehrheit bei den Vereinten Nationen hinter sich. Mehr als 140 Staaten weltweit haben einen Palästinenserstaat bereits anerkannt oder planen dies. Trump hat die französische Initiative dennoch als "unbedeutend" abgetan.
Der US-Präsident dürfte den Vereinten Nationen in seiner für den 23. September geplanten Rede die Leviten lesen. Trump hält nichts vom Multilateralismus, wie seine "Amerika-zuerst"-Politik zeigt. Trump hat den Kurs der UNO wiederholt kritisiert und Finanzmittel in bedeutendem Umfang gekürzt. Seine Regierung hat zudem Sanktionen gegen hochrangige UN-Vertreter verhängt, denen er eine feindselige Haltung gegenüber den USA und Israel vorwirft.