Rund 40 Staats- und Regierungschefs berieten in den vergangenen zwei Tage auf Einladung von US-Präsident Joe Biden bei einem virtuellen Gipfel über den Klimaschutz. Eingeladen wurde auch der russische Präsident Wladimir Putin. Knapp sieben Minuten dauerte seine Ansprache am Donnerstag, in der er seine Kollegen wissen ließ, welch großen Erfolge auf diesem Gebiet Russland bereits angeblich vorzuweisen habe.
Doch die anderen Staatschefs schienen der Rede Putins nur wenig Aufmerksamkeit zu schenken, wie während der Übertragung der Konferenz sichtbar wurde. Angela Merkel fand Zeit, sich die Haare zu richten, ein kleines Pläuschchen zu halten und ausgiebig zu gähnen. Italiens Premier Mario Draghi bemühte sich anfänglich noch zuzuhören – auch wenn er dabei seinen Kopf bereits abstützen musste – verschwand dann aber komplett aus dem Bild. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hatte offenbar auf seinem Tisch etwas viel Interessanteres vorliegen. Er sah kaum zu dem redenden Putin auf. Genauso wie der US-Präsident Joe Biden.
Während Putin von der "CO2-Absorbierfähigkeit" der russischen Naturgebiete schwärmte – ganz so, als ob es sein eigener Verdienst wäre – blätterte Biden lieber in den Unterlagen auf seinem Tisch. Ein Verhalten, das dem Kreml-Chef und seinen Getreuen dank der virtuellen Übertragung nicht entgangenen ist und nun offenbar übelgenommen wird.
"Er hat kein einziges Mal Putin in die Augen geschaut. Obwohl der Präsident Russlands genau vor ihm war, auf einem riesigen Bildschirm", echauffierte sich die Fernsehmoderatorin Olga Skabeewa in der Sendung "60 Minuten" des Fernsehsenders "Russia 1", das als Propaganda-Sprachrohr des Kremls dient. Dieses Verhalten sei doch seltsam. Zumal Biden auch noch der einzige Teilnehmer des Gipfels gewesen sei, der eine Maske getragen habe. Dabei übersah Skabeewa geflissentlich, dass Biden während des virtuellen Gipfels nicht alleine in dem Raum war, aus dem die Übertragung stattgefunden hatte.
Die Interpretation des Staatsfernsehens
Stattdessen legte sie eine ganz eigenwillige Erklärung vor. Vielleicht schäme sich Biden, nachdem er Putin als Mörder bezeichnet hat, überlegte sie. "Oder hat er Angst?", fragte sie selbstzufrieden.
Seit Putins Rede an die Nation am vergangenen Mittwoch wird das Staatsfernsehen nicht müde, tagein, tagaus das Mantra zu wiederholen: Die ganze Welt zittere nun vor Angst. Schließlich hatte vor einem Überschreiten ominöser "roter Linien" gewarnt. "Organisatoren jedweder Provokationen, die die Kerninteressen unserer Sicherheit bedrohen, werden ihre Taten so bereuen, wie sie lange nichts bereut haben", hatte Putin bei seiner Rede gedroht.
Im Gegensatz zur Darstellung des russischen Staatsfernsehen, geben sich die USA unbeeindruckt. Republikanische Senatoren fordern nun im Zusammenhang mit der Inhaftierung Alexej Nawalnys neue Sanktionen gegen Großunternehmer aus dem engsten Kreis des russischen Präsidenten.