Amerikanische und britische Streitkräfte haben ihre Großoffensive am Samstagmorgen mit massiven Angriffen auf die Hauptstadt Bagdad fortgesetzt. Eine riesige Explosion erschütterte das Zentrum der irakischen Hauptstadt. Dabei seien Regierungsgebäude im Zentrum und Ziele im Umland zerstört worden, berichteten Korrespondenten der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Schwere Angriffe in der Nacht
Nach Beginn der US-Großoffensive ist die irakische Hauptstadt Bagdad in der Nacht zum Samstag von gewaltigen Explosionen erschüttert worden. Rauch und Flammen stiegen in den Himmel. Nach Augenzeugenberichten wurde bei den in Wellen vorgetragenen Angriffen unter anderem der Regierungssitz von Saddam Hussein am Westufer des Tigris getroffen. Das Pentagon kündigte an, dass binnen 24 Stunden bis zu 1.500 Bomben und Raketen auf Irak abgeschossen werden sollen.
Berichten des arabischen Senders El Dschasira zufolge fielen auch Bomben auf das Planungsministerium. Im Süden Bagdads schoss ein gewaltiger Feuerball in den schwarzen Himmel. Am Stadtrand befinden sich eine Ölraffinerie und Militäreinrichtungen.
Angriffe auch in anderen Städten
Die irakische Regierung meldete auch Luftangriffe auf die südirakischen Städte Basra und Nassirijah. Die nordirakischen Städte Mossul und Kirkuk wurden ebenfalls aus der Luft angegriffen, wie aus der kurdischen Autonomieverwaltung verlautete.
Allein die US-Marine feuerte am Freitagabend nach eigenen Angaben 320 Tomahawk-Marschflugkörper auf Bagdad ab. "Wir haben gerade die nächste Angriffsphase begonnen", sagte Konteradmiral Matthew G. Moffit, Kommandeur des Marineverbandes des Flugzeugträgers "USS Kitty Hawk". F/A-18-Hornets und F-14-Tomcat-Kampfjets mit 225-, 450- und 900-Kilogramm-Bomben stiegen auf, um das Heer in Südirak zu unterstützen.
Das Invasionsheer rückte am Freitag nach US-Angaben von Süden her 160 Kilometer ins Land ein, ein Drittel des Weges bis nach Bagdad.
Rumsfeld: Saddam Hussein verliert Kontrolle
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte nach Beginn der Offensive, das Regime des irakischen Präsidenten Saddam Hussein "beginnt die Kontrolle über das Land zu verlieren". Auch im engsten Kreis des Staatschefs werde nun die Erkenntnis wachsen, dass das Regime Geschichte ist.
Am Mittag hatten amerikanische Truppen laut britischen und US-Angaben nach heftigen Kämpfen den einzigen irakischen Seehafen in der Stadt Umm Kasr eingenommen.
Die Türkei hat trotz amerikanischer Widerstände am Freitag 1.000 weitere Soldaten in den Norden Iraks geschickt. Die Soldaten sollten die bereits dort stationierten türkischen Truppen verstärken, verlautete aus Militärreisen. Deren Stärke wird auf mehrere tausend Soldaten geschätzt. Unterstützt von mehreren dutzend Panzern verfolgen die türkischen Einheiten in der Region kurdische Guerillakämpfer.
Der türkische Außenminister Abdullah Gül erklärte, die Türkei sei entschlossen, ihre Truppen über die Grenze zu schicken, um einen eventuellen Flüchtlingsansturm zu kontrollieren und jeden Versuch irakischer Kurden zu unterbinden, sich von Irak abzuspalten. US-Außenminister Colin Powell hatte zuvor betont, die USA sähen "keine Notwendigkeit für irgendeinen türkischen Vormarsch nach Nordirak".
Die Türkei hatte am Abend nach monatelangen Verhandlungen ihren Luftraum für US-Angriffe gegen Irak freigegeben. Wie die Streitkräfte mitteilten, sollen den Amerikanern zwei Luftkorridore zur Verfügung stehen. Die Flüge über die Türkei würden sofort aufgenommen, berichtete der Fernsehsender CNN-Türk. Bereits am Donnerstag hatte das türkische Parlament den USA die Nutzung des Luftraums gestattet. Die Öffnung verzögerte sich aber. Ankara bestand nach Angaben aus Verhandlungskreisen darauf, dass Washington im Gegenzug dem Einmarsch türkischer Truppen in Nordirak zustimmte.
Bagdad - Hauptstadt des Irak
Bagdad ist seit 1920 Hauptstadt des Irak und mit fast fünf Millionen Einwohnern die größte arabische Stadt Vorderasiens. Etwa jeder fünfte Iraker lebt in diesem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des Landes. Die Zerstörungen aus dem Krieg von 1991, an den eine 2001 eröffnete Moschee mit dem Namen "Mutter aller Schlachten" erinnert, wurden weitgehend behoben. Prachtbauten, Brücken und Hochhäuser wurde neu gebaut.
Das Porträt von Präsident Saddam Hussein ist allgegenwärtig in den Straßen und an öffentlichen Gebäuden. Zwei stählerne Fäuste, die den Sockel eines martialischen Triumphbogens in Form gekreuzter Schwerter bilden, sollen Nachbildungen der Fäuste Saddams sein.
Eine umfassende Sanierung der Metropole am Ufer des Tigris hat seit den 50er Jahren zahlreiche Blocks des sozialen Wohnungsbaus entstehen lassen. Vom alten Bagdad ist kaum etwas erhalten. Die Altstadt und ihr Basar wurden für ein modernes Geschäftszentrum mit breiten Boulevards abgerissen. Zum Wahrzeichen der Stadt wurde die Goldene Moschee mit ihren weithin sichtbaren glänzenden Zwillingskuppeln und Minaretten. Sie ist eines der größten Heiligtümer der Schiiten. Das Irak-Museum beherbergt Funde von den wichtigsten Ausgrabungsorten Mesopotamiens.
Blütezeit im 9. Jahrhundert
Zu den wenigen historischen Bauwerken, die zumindest teilweise erhalten geblieben sind, gehören das Talisman-Tor, eine Karawanserei aus dem 12. Jahrhundert und die Reste des Abbasiden-Palastes. Das 762 gegründete Bagdad erlebte seine Blütezeit im 9. Jahrhundert unter dem Kalifen Harun al Raschid, bekannt aus den "Märchen aus 1001 Nacht".