In Brasilien verschärft sich die Coronakrise immer weiter. Erstmals seit Ausbruch der Pandemie registrierten die Behörden mehr als 4000 mit Sars-Cov-2 infizierte Tote an einem Tag. Innerhalb von 24 Stunden seien 4195 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben, teilte das Gesundheitsministerium am Dienstag mit. Medienberichten zufolge wurden allerdings zahlreiche Todesfälle aus den Osterfeiertagen nachgemeldet.
Rund ein Jahr nach ihrem Ausbruch ist die Corona-Pandemie im größten Land Südamerikas weitgehend außer Kontrolle geraten. In vielen Teilen Brasiliens steht das Gesundheitswesen vor dem Zusammenbruch. Auch Chapecó im Bundesstaat Santa Catarina hat die Grenze seiner medizinischen Leistungsfähigkeit erreicht.
Bolsonaro schwärmt von sogenannter Frühbehandlung
Dabei hat Brasiliens ultrarechter Präsident Jair Bolsonaro die Stadt gerade erst als Erfolgsbeispiel für die sogenannte Frühbehandlung von Covid-19 in höchsten Tönen gelobt. Bei der umstrittenen Therapie, die Bolsonaro immer wieder verteidigt und bewirbt, werden Hydroxychloroquin, Ivermectin und anderen Medikamenten gegen die Krankheit eingesetzt. Für ihre Wirksamkeit gibt es keinerlei wissenschaftliche Beweise.
Chapecós Bürgermeister João Rodrigues, Verteidiger der "Frühbehandlung", habe "außergewöhnliche" und "fantastische Arbeit" geleistet und sei ein "Beispiel, dem man folgen sollte", schwärmte Bolsonaro am Montag bei einem öffentlichen Auftritt. Er werde die Stadt deshalb noch in dieser Woche persönlich besuchen, nicht nur, um sich dort umzusehen, "sondern um ganz Brasilien zu zeigen, dass das Virus ernst ist und dass seine Auswirkungen bekämpft werden können".

Was den Staatschef in der 224.000-Einwohner-Stadt erwartet, passt allerdings so gar nicht zu dem Bild, das er von Chapecó gezeichnet hat: Bereits Ende 2020 habe es dort erste Anzeichen einer unkontrollierten Ausbreitung des Coronavirus gegeben, berichtet das brasilianische Magazin "Veja". Seit dem 7. Februar seien 100 Prozent der Intensivbetten der Gemeinde aufgrund der Pandemie belegt. 414 der 537 Todesfälle, die in der gesamten Gesundheitskrise verzeichnet wurden, seien registriert worden, seit Bürgermeister Rodrigues im Januar sein Amt angetreten habe. Und von den bislang insgesamt 33.853 Covid-19-Infektionen seien allein 12.284 in diesem Jahr aufgetreten.
Laut dem brasilianischen Sender Globo starben in Chapecó im März sogar Menschen, während sie auf ein freies Intensivbett warten mussten. Und im Februar machte die Stadt landesweit Schlagzeilen, nachdem ein Bewohner in der Nacht von seiner eigenen Familie auf der Ladefläche eines Autos ins Krankenhaus transportiert werden musste, weil kein Krankenwagen kam.
Bolsonaro hat das Coronavirus von Anfang an als "eine kleine Grippe oder ein Schnüpfchen" verharmlost. Strenge Restriktionen für die Bevölkerung lehnt er aus wirtschaftlichen Gründen ab. Auch die Wirksamkeit von Masken und Impfungen stellt der Präsident immer wieder in Frage. Kritiker werfen dem 66-Jährigen deshalb eine große Mitschuld an der katastrophalen Coronalage in Brasilien vor.