Die Aufgabe dürfte ihn im Nahen Osten schlagartig zu einem der bekanntesten Deutschen gemacht haben: Detlev Mehlis, 56 Jahre als, Oberstaatsanwalt aus Berlin, hat im Auftrag des Uno-Sicherheitsrats herausgefunden, wer für den Anschlag auf den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik al-Hariri verantwortlich ist. In einem Land, in dem politische Morde in der Regel unaufgeklärt bleiben, und in einer Region voller internationaler Spannungen führt ein solches Projekt direkt auf ein politisches Minenfeld.
"Eine klassische strafrechtliche Untersuchung"
Fast sieben Wochen soll Uno-Generalsekretär Kofi Annan einen geeigneten Kandidaten dafür gesucht und mehrere Absagen bekommen haben, bevor er Mehlis fand. Die Anfrage erreichte den deutschen Juristen im Urlaub auf Mallorca. Mehlis bat nicht einmal um Bedenkzeit. Er sagte sofort zu. Als der Sonderermittler im Mai seine Abreise Richtung Beirut vorbereitete, war er angesichts der auch politisch brisanten Aufgabe wortkarg. Er sprach lediglich von einer Herausforderung und nannte sie eine "klassische strafrechtliche Untersuchung".
Inspektor Colombo mit Bürstenhaarschnitt
Mehlis lächelt viel, trägt eine unauffällige Brille und einen Bürstenhaarschnitt, dessen Blond schon graue Spuren zeigt. Damit mag er vielleicht nicht so wirken, wie man sich einen knallharten Ermittler vorstellt. Der Oberstaatsanwalt, der fließend Englisch und Französisch spricht, steht jedoch in dem Ruf, ein hartnäckiger und schonungsloser Aufklärer zu sein. Einer seiner Berliner Kollegen beschrieb ihn als "Terrier, der nicht loslässt, wenn er sich einmal verbissen hat". Andere nennen ihn einen Fuchs oder in Anspielung auf eine erfolgreiche US-Krimiserie Inspektor Colombo. Mehlis ist seit 25 Jahren als Strafverfolger tätig. Mehrfach war er in politisch heiklen Fällen im Einsatz.
Meisterstück "La Belle"-Prozess
International bekannt wurde er durch seine Arbeit als Ankläger im Prozess um den Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" von 1986, bei dem drei Menschen getötet und mehr als 200 schwer verletzt worden waren. 15 Jahre nach dem Attentat wurden vier Angeklagte - ein Libyer, zwei Palästinenser und eine Deutsche - zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Mehr noch: Die Richter bestätigten die Auffassung des Oberstaatsanwalts, dass Libyen für den Anschlag auf die vor allem von US-Soldaten besuchte Diskothek mitverantwortlich sei. Zufrieden zeigte sich der Ankläger dann auch, als Libyen über eine Stiftung eine Entschädigung von 35 Millionen Dollar für die Opfer und Hinterbliebenen zahlte.
Erfahrungen mit Syrien
Auch Syrien stand schon einmal im Blickfeld seiner Ermittlungen, und zwar im Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag auf das Kulturzentrum "Maison de France" in Berlin im Jahre 1983. Der 56-jährige Jurist brachte den Deutschen Johannes Weinrich, der als rechte Hand des international gesuchten Terroristen Ilich Ramirez Sanchez alias "Carlos" galt, für dieses Attentat vor Gericht. Weinrich wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. In einem weiteren Prozess gegen Weinrich wegen einer Anschlagserie in Frankreich musste Mehlis allerdings eine Niederlage hinnehmen: Das Verfahren endete mit Freispruch.
Ohne Rücksicht auf Rang und Namen
In Beirut ist der Uno-Ermittler mit seinem 100 Mann starken Team ausschließlich in schwer gesicherten Konvois unterwegs. Jedem persönlichen Risiko zum Trotz hat er von Anfang an signalisiert, dass er auf Rang und Namen der Verdächtigen keine Rücksicht nehmen werde. In seinem inzwischen vorgelegten Bericht sind unter anderem die Präsidenten Syriens und des Libanons und die mächtigsten Sicherheitschefs beider Länder erwähnt. Seine Ermittlungen führten im August bereits zur Festnahme von vier pro-syrischen Generälen des Libanons. Für ihn zähle nur, wer Hariri umgebracht habe und mit welchem Motiv, sagte Mehlis in einem Zeitungsinterview. Woher die Täter kämen, spiele keine Rolle.