Wegen seiner Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 drohen dem früheren US-Präsident Donald Trump juristische Konsequenzen. Der Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses hat dem Justizministerium einstimmig empfohlen, strafrechtliche Schritte gegen Trump und andere Beteiligte einzuleiten. So beurteilt die Presse den Schritt.
"Nepszava" (Budapest): Es ist nicht nur eine politische Frage, ob der Versuch der Machtübernahme und der Einführung einer Diktatur straflos bleibt. Würde man die Geschehnisse einfach unter den Teppich kehren, würde dies nur Nachahmer ermutigen, unter denen auch Faschisten sein könnten, die talentierter sind als Donald Trump. Wesentlich ist nicht, dass dieser im Gefängnis landet, sondern dass sein Schicksal zur Warnung für die Zukunft dient - ansonsten könnte die Demokratie verloren gehen, nicht nur jenseits des Atlantiks.
"The Guardian" (London): Das wird Trump in seinem Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur eher anspornen und ihn darin bestärken, dass Macht die beste Form des Schutzes ist. Sollte es zu einer Anklage kommen, könnte dies die Überzeugungen seiner hartgesottenen Anhänger eher stärken als verändern. Mehr als zwei Drittel der Republikaner glauben immer noch, dass Bidens Sieg unrechtmäßig war. Dennoch wenden sie sich in Umfragen von dem ehemaligen Präsidenten ab. Eine große Mehrheit der republikanischen Wähler sowie von Unabhängigen, die der Partei zugeneigt sind, ist der Meinung, dass 2024 ein anderer Kandidat aufgestellt werden sollte. (...) Es wäre sehr töricht, den 45. Präsidenten abzuschreiben. Seit Jahren widersetzt er sich den Gesetzen der politischen Schwerkraft und überlebt Skandale und Vergehen, die jeden anderen Kandidaten oder Amtsinhaber zu Fall gebracht hätten. Die republikanische Elite schweigt auffallend lange oder hält sich bedeckt. Und selbst wenn er nicht mehr die Oberhand gewinnen sollte, nutzen andere bereits sein Drehbuch.
"Neue Züricher Zeitung": Damit ist eine Anklage Trumps zwar immer noch in weiter Ferne. Nur das Justizministerium kann eine solche erheben. Doch es ist ein weiterer Schritt hin zu einem Tabubruch: Nie zuvor in der amerikanischen Geschichte wurde ein amtierender oder ehemaliger Präsident strafrechtlich belangt. Das liegt nicht daran, dass es dafür nie einen Anlass gegeben hätte, sondern an den möglichen Folgen für das Funktionieren der Demokratie.
Der Eindruck, eine politisch kontrollierte Justiz verfolge Gegner ohne zwingenden Grund, rüttelte am Selbstverständnis eines reibungslosen, friedlichen Machtübergangs. Gleichzeitig gehört es allerdings zum Gründungsmythos der im Kampf gegen die britischen Monarchen entstandenen USA, dass niemand über dem Gesetz steht. (...) Trump und viele Republikaner werden eine Anklage als politisch motivierte Hexenjagd darstellen. Möglicherweise würde sie dem ehemaligen Präsidenten sogar mehr nützen als schaden. Bliebe sein Umsturzversuch folgenlos, wären die Risiken jedoch noch größer."
"Houston Chronicle": Der Ball liegt nun fest in der Hand von (US-Justizminister Merrick) Garland. Das Justizministerium, das selbst Ermittlungen durchführt, hat nun neue Beweise dafür, dass Trump einen Aufstand angestiftet hat, um die Regierung zu stürzen. (...) Doch abgesehen davon, dass Trump und seine Schleimer dafür verantwortlich gemacht wurden, zentrale US-amerikanische Institutionen zu untergraben, enthüllte die Arbeit des überparteilichen Ausschusses auch die Schwäche und Verwundbarkeit unseres Wahlsystems (...). Dies muss repariert werden. (...) Vielleicht kommt der Tag, an dem die republikanische Partei aufwacht und den Trump-Moment in der US-amerikanischen Geschichte als etwas so Haarsträubendes empfindet, dass es ein Traum gewesen sein muss (wenn nicht ein Alptraum). Doch noch sind wir nicht so weit. Das Hinterfragen, Anzweifeln und die Schuldzuweisungen werden lauter, aber die Post-Trump-Partei ist noch nicht ganz erwacht. (...) Der Spiegel der Republikaner mag zumindest vorerst noch beschlagen sein, aber wir müssen daran glauben, dass sich etwas ändern wird. Die Partei und das Land sollten dem überparteilichen Ausschuss zum 6. Januar für den dringend benötigten Weckruf danken.
"Hannoversche Allgemeine Zeitung": Präsident Joe Biden tut daher gut daran, maximalen Abstand zu der Strafverfolgung zu halten. Jeglicher Eindruck einer Einflussnahme wäre kontraproduktiv. Dabei ist die bittere Ironie der Geschichte eine ganz andere. Tatsächlich kann der Demokrat im Weißen Haus persönlich gar kein Interesse daran haben, eine erneute Kandidatur seines Vorgängers zu verhindern: Seit den vernichtenden Niederlagen seiner rechtsextremen Zöglinge bei den Midterm-Wahlen ist Trump nämlich schwer angeschlagen. Er wäre für Biden der wohl einfachste Gegner.
Donald Trump will zurück ins Weiße Haus – diese Republikaner könnten ihm gefährlich werden

"Berliner Morgenpost": Natürlich ist es möglich, dass Justizminister Merrick Garland darauf verzichtet, den früheren Präsidenten anzuklagen. Kommt er zu dem Schluss, dass er Trump einen wasserdichten Prozess machen kann, der zu einer Verurteilung führt, wird er wohl Anklage erheben. Hält er dagegen einen Freispruch für wahrscheinlicher, dann wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine strafrechtliche Verfolgung verzichten. Eine andere Frage lautet, wie es um Trumps politische Zukunft bestellt ist. Antwort: nicht vielversprechend. Wegen der zahlreichen Niederlagen bei den Zwischenwahlen, die er zu verantworten hat und die ihm die Republikaner, die sich zunehmend von ihm abwenden, nicht verzeihen. Trump hat gute Chancen, ein freier Mann zu bleiben, weniger aber, wieder zum Präsidenten gewählt zu werden.
"Wiesbadener Kurier": Könnten strafrechtliche Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten das Land weiter spalten, wie sein ehemaliger Stellvertreter Mike Pence mahnt? Das kann durchaus sein, aber soll man sozusagen um des lieben Friedens willens darauf verzichten, die Verantwortung des Mannes zu beleuchten, der mittelbar für einen blutigen Umsturzversuch mit fünf Toten verantwortlich ist? Nur der Vollständigkeit halber: Trump-Stellvertreter Pence, der ihn jetzt in Schutz nimmt, entging am 6. Januar 2021 dem Mob aus militanten Rechtsextremisten und gefährlichen "QAnon"-Spinnern, die "Hängt Mike Pence" grölten, nur knapp.
"Rhein-Zeitung": Der Kongress hat gute Vorarbeit geleistet, auf die die Bundesanwälte zugreifen können. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Trump diesmal nicht davonkommt. Er dürfte sich damit verkalkulieren, sich durch eine Politisierung der Justiz zu entziehen. Das funktionierte nicht in New York, wo ein Gericht sein Unternehmen wegen Steuerverbrechen verurteilte. Das gelang nicht vor dem Supreme Court, der seine Steuererklärungen nicht schützen wollte. Und es wird auch nicht beim unbestechlichen Sonderermittler glücken. Wenn die US-Demokratie den Angriff vom 6. Januar wirklich abwehren will, muss der Rechtsstaat eines deutlich machen: Niemand steht über dem Gesetz.