Vor dem geplanten Beitritt zur Europäischen Union im Januar 2007 müssen Bulgarien und Rumänien noch einige wichtige Kriterien erfüllen. Das geht aus dem am Dienstag in Straßburg vorgestellten Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission hervor. Die Defizite sind in beiden Ländern sehr ähnlich.
Bulgarien und Rumänien müssen Reformen im Justizsektor und in der Verwaltung weiter voranbringen und den Kampf gegen Korruption und das organisierte Verbrechen verstärken. Die Beachtung der Menschenrechte und der Schutz von Minderheiten, vor allem der Roma, muss verbessert werden.
Bei der Übernahme der verbindlichen EU-Gesetze haben beide Länder in einigen Bereichen seit dem Vorjahr nicht die erwarteten Fortschritte erzielt. Vor allem der Kampf gegen die Geldwäsche muss stärker beachtet werden. In der Sozialpolitik müssen Sofia und Bukarest Gesetze zum Arbeitsschutz umsetzen. Auch der Gesundheitssektor muss verbessert werden. Keines der Länder hat einen ausreichenden Grenzschutz, die Umweltverschmutzung durch die Industrie ist entschieden zu hoch.
Über die rumänischen Befindlichkeiten sprach stern-Reporter Matthias Schepp mit dem Außenminister Mihai-Razvan Ungureanu, 37.
Wird Rumänien der EU 2007 beitreten?
Das ist zu schaffen. Wenn ich mir anschaue, was Rumänien seit 2004 alles erreicht hat, sind unsere Chancen nicht schlecht. Wir haben die Bedingungen der EU hinsichtlich der Justizreform, der Umweltgesetzgebung, des Wettbewerbsrechts und vieler anderer Punkte weitgehend erfüllt. Wir haben die umfassendsten Reformen in zweihundert Jahren moderner rumänischen Geschichte auf den Weg gebracht.
Wäre die Verschiebung auf 2008 eine Katastrophe?
Nein, es geht um ein Datum. Allerdings ein sehr symbolisches. Unsere Menschen schauen auf den Beitritt wie auf die Erfüllung eines Traumes, den sie seit einem Jahrzehnt gehegt haben. Der Beitritt in 2007 ist politisch, wirtschaftlich und psychologisch wichtig. Weil die Zustimmung unserer Bevölkerung zur EU sehr hoch ist, wäre auch die Enttäuschung groß. Es geht darum, Rumänien zurück nach Europa zu bringen, in den Raum der Freiheit.
Wäre Ihre junge Regierung bei einer Verschiebung beschädigt?
Natürlich wären wir weiter arbeitsfähig. Aber es könnte zu einem gefährlichen Teufelskreis kommen. Die EU-Gegner könnten die nötigen Reformen weiter erschweren und damit den Beitritt gefährden.
Was machen Sie, wenn 2007 nicht klappt?
Dann haben wir einen Plan B und ein Jahr Zeit, unseren Bürgern die EU besser zu erklären. Das Bild, das die Menschen von der Europäischen Union haben, beruht nicht immer auf umfassenden Informationen. Wir machen die Reformen nicht für die EU, sondern für uns, für Rumänien.
Der Publizist Mircea Vasilescu befürchtet, dass sich die Rumänen von den Europäern zurückgewiesen fühlen könnte, wie jemand, der sich bessere Kleider und feinere Manieren zulegt und dann doch nicht in den Club vorgelassen wird.
Diesen Vergleich mache ich mir nicht zu eigen. Wir führen Reformen nicht um der EU wegen durch, sondern aus unserem nationalen Interesse. Unsere Anstrengungen sind eine Investition in die Zukunft unseres Landes und seinen Wohlstand.
Viele Deutsche haben Angst, dass ihnen Rumänen die Arbeitsplätze wegnehmen ...
Machen Sie sich da mal nicht zu viele Sorgen. Wir Rumänen sind sehr heimatverbunden. Es wird nicht viele geben, die auf Dauer im Westen bleiben. Und umgekehrt sage ich einen Strom von Menschen aus der EU voraus, die in Rumänien gute Jobs finden werden, Manager, Köche, Ingenieure aus Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Ungarn und anderen Ländern.
Ist das nicht Wunschdenken?
Nein, nein. Vor fünf Jahren hätte ich das so nicht gesagt. Heute ist das aber eine ökonomische Realität. Schauen Sie sich an, wie viele Ausländer schon in Westrumänien arbeiten und Unternehmen gründen, die Italiener an erster Stelle. Dieser Prozess wird nicht in Rumänien stoppen, sondern auch die Ukraine und Moldawien einschließen.
Was gewinnt die EU mit Rumänien?
Ein stabiles Land an seiner Grenze mit 22 Millionen Einwohnern, das fest gegen internationalen Terrorismus, illegale Einwanderung und organisiertes Verbrechen steht. Und das die Interessen Europas in die benachbarten Regionen trägt, nach Russland, in die Türkei und die gesamte Schwarzmeerregion. Wie ein Virus unterwandern wir die Nachbarländer mit den Werten der EU.
Einige Menschen in Deutschland halten Rumänien für ein Armenhaus und wegen der Roma für einen Zigeunerstaat ...
Die Beziehungen zu unserem Land dürfen nicht auf der Basis solcher Vorurteile aufgebaut werden. Wir sind im Gegenteil ein Land mit einer hervorragend ausgebildeten Bevölkerung, die jeden Unternehmer glücklich machen kann. In nicht ganz einfachen Zeiten haben wir ein hohes Wirtschaftswachstum erzielt und wir haben großes Talent, uns durch schwierige Situationen durchzumogeln. Von Tourismus über High-Tech bis zum Energiesektor gibt es in Rumänien zahlreiche Investitionsmöglichkeiten.
In jüngster Zeit waren aus der CDU/CSU kritische Stimmen zum Beitritt zu vernehmen. Fürchten Sie, dass die Regierung von Angela Merkel Ihnen Steine in den Weg legt?
Da hatte manches mit Wahlkampf zu tun. Die EU ist aber zu wichtig, um sie zum Gegenstand von Propaganda zu machen. Rumänien hatte in der Kohl-Regierung einen hohen Stellenwert und die CDU/CSU und FDP Koalitionsregierung hat uns beim Beginn des Beitrittsprozesses unterstützt.
Wir sind offen für Fragen. Wir dürfen Fragen nicht als Kritik verstehen, sondern als Interesse. Was ich am meisten fürchte, ist Gleichgültigkeit.
Sie sind Historiker, wagen Sie aber bitte einen Blick in die Zukunft. Wie sieht die EU in 2020 aus?
Ich habe keinen Zweifel, dass sie weiter existieren wird. Auf jeden Fall als Wirtschaftsunion. Das ist gleichsam der Kern, das Versprechen von Wohlstand an die EU-Bürger. Deshalb unterstützt der normale EU-Bürger auch die EU, vielleicht aber nicht die Verfassung. Diese fünfzig Prozent haben wir erreicht, jetzt klopfen wir an die Pforte der Utopie: die politische Union. Ich bin mir nicht sicher, ob wir es schaffen, sie in 15 Jahren zu verwirklichen. Bis jetzt sind wir alle Solisten, wir müssen aber im Chor singen.
Wie kann das gelingen?
Auch wenn das vielleicht zynisch klingt, eine politische Union kann wahrscheinlich nur verwirklicht werden, wenn es eine große Bedrohung von außen gibt.
Durch einen radikalen Islam oder den Aufstieg Chinas?
Ja, zum Beispiel.