Fragen & Antworten Was zwei Menschenrechtsorganisationen mit dem EU-Korruptionsskandal zu tun haben

Geld Bestechung
Diese Geldbündel wurden von der belgischen Polizei beim früheren EU-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri gefunden.
© Belgium Federal Police / AFP
Der historische Korruptionsskandal um die Politikerin Eva Kaili geht weiter. Wie sich nun herausstellt, sind auch Mitarbeiter von zwei NGOs, die sich für Menschenrechte und gegen Korruption einsetzen, in die Affäre verwickelt. Das ist am sechsten Tag bekannt.

Nach einem nervenaufreibenden Wochenende mit Durchsuchungen mehrerer Wohnungen in Brüssel und Festnahmen nimmt der Korruptionsskandal um das EU-Parlament kein Ende. Am Freitag hatte sich herausgestellt, dass das ein Golfstaat, vermutlich WM-Gastgeberland Katar, versucht haben soll, mittels beträchtlicher Geldsummen und Geschenken die Entscheidungen des Gremiums zu beeinflussen. Im Zentrum des Skandals steht die EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili. In ihrer Wohnung haben die Behörden nach Angaben der Staatsanwaltschaft "Säcke voll Bargeld" gefunden. Bislang hat die belgische Polizei bei 20 Hausdurchsuchungen fast 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt.

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Kaili wurde am Wochenende zusammen mit fünf weiteren Beschuldigten verhaftet. Zwei von ihnen sind seit Sonntag wieder auf freiem Fuß. Kaili und vier weitere sitzen weiterhin in U-Haft.

Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Skandal im Herzen Europas:

Wer wird in dem Korruptionsskandal beschuldigt?

Zentrale Hauptfigur ist die griechische Politikerin und Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili. Sie fiel schon im Vorfeld des Skandals durch ihre Katar-freundliche Haltung auf. So hatte sie etwa den Golfstaat nach einem Treffen mit dem katarischen Arbeitsminister für seine Arbeitsrechte gelobt und die WM als "Beweis" dafür angeführt, "wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". In ihrer Wohnung in Brüssel hatten die belgischen Behörden "Säcke voll Bargeld" im Wert von 600.000 Euro beschlagnahmt.

Von den sechs weiteren Inhaftierten sind nur drei Namen öffentlich bekannt geworden:

  • Antonio Panzeri: führender Europaparlamentarier in der Fraktion der Sozialdemokraten, schied 2019 aus dem EU-Parlament aus und gründete die NGO "Fight Impunity"
  • Alexandor Kailis: Vater von Eva Kaili
  • Francesco Giorgi: Lebensgefährte von Eva Kaili,
  • Luca Visentini: Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes

Visentini und Kailis Vater wurden bereits am Sonntag wieder aus der Haft entlassen. Eva Kaili sowie Panzeri, Giorgi und eine nicht weiter benannte Person befinden sich seitdem in U-Haft. Ihnen werden Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption vorgeworfen. Auch in Italien wurden zwei Personen im Zusammenhang mit dem EU-Korruptionsskandal festgenommen: Panzeris Frau und deren Tochter.

Was bedeutet das alles für Eva Kaili?

Noch am Freitag schloss die sozialistische Pasok-Partei die 44-Jährige aus. Einen Tag später setzte die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament die Mitgliedschaft der Politikerin aus. Zudem entzog EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola Kaili "mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben" als eine ihrer 14 Stellvertreter. Am Dienstag verlor Kaili schließlich ihren Posten als EU-Parlamentsvize. Am Mittwoch wird noch darüber entschieden, ob sie weiter in U-Haft bleiben muss.

Über ihren Anwalt beteuert Kaili ihre Unschuld. "Sie hat nichts mit Geldflüssen aus Katar zu tun, überhaupt nichts", sagt Michalis Dimitrakopoulos. Sie sei "unschuldig". Nur ihr Lebensgefährte, der ebenfalls wegen Korruptionsvorwürfen festgenommene Italiener Francesco Giorgi, könne "Antworten auf die Existenz dieses Geldes" geben. Ihre Anhörung sei auf Antrag der Verteidigung auf den 22. Dezember verschoben worden, sagte ihr Anwalt André Risopoulos der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch. Bis dahin wird Kaili wohl in Haft bleiben.

Was hat die NGO "Fight Impunity" mit der Sache zu tun?

Eva Kailis Lebensgefährte Francesco Giorgi war im Büro eines EU-Parlamentariers tätig. Zudem saß er bis 2019 der Menschenrechtskommission im Parlament vor. Als Berater war er auch für die Stiftung von Ex-EU-Politiker Antonio Panzeri tätig. Dieser hatte bis 2019 den Vorsitz der Menschenrechtskommission des Parlaments inne.

Ermittelt wird zudem gegen zwei NGO-Mitarbeiter, deren Namen die Staatsanwaltschaft nicht preisgeben wollte. Die beiden sollen zuletzt für zwei Europaabgeordnete tätig gewesen sein: Marc Tarabella, dessen Wohnung ebenfalls durchsucht wurde, und die Sozialdemokratin Marie Arena. Beide Parlamentarier gemeinsam mit Panzeri an einem Bericht zum Thema Straflosigkeit der NGO "Fight Impunity" aus dem Jahr 2021 mitgewirkt – streiten jedoch laut einem Bericht des österreichischen "Standard" jegliche Verbindungen zu der Stiftung und die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal ab.

Wodurch wird die NGO belastet?

"Fight Impunity" setzt sich nach Stiftungsangaben weltweit für Menschenrechte ein. Auch den Kampf gegen Korruption schreibt sie sich auf die Fahnen. Zu den Mitgliedern zählen vor allem EU-Parlamentarier, die seit 2019 nicht mehr in dem Gremium tätig sind. Gelistet sind allerdings nur noch die sogenannten "Ehrenmitglieder". Der "Team"-Abschnitt ist leer.

Belastet wird der Verein vor allem durch den Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, Luca Visentini. Nach eigenen Angaben hat er an einigen Konferenzen der NGO teilgenommen, dann aber habe sich herausgestellt, "dass es sich um eine kriminelle Organisation handelte, die im Namen und im Auftrag der Regierung von Katar und, wie es scheint, Marokko Bestechungspläne schmiedete, um zu versuchen, günstigere Bedingungen beim Europäischen Parlament zu erwirken". Er habe der Justiz die erforderlichen Informationen vorgelegt und sei auf dieser Grundlage "mit einigen minimalen Auflagen freigelassen" worden.

Wer ist noch in den Skandal entwickelt?

Wie die "Neue Züricher Zeitung" berichtet, zählte auch Niccolò Figà-Talamanca zu den Festgenommenen in Brüssel. Er ist Generalsekretär bei der Organisation "No Peace Without Justice", die laut "NZZ" in demselben Gebäude wie "Fight Impunity" in Brüssel angesiedelt war. Inwiefern Figà-Talamanca in den Skandal verwickelt ist, sei aber noch unklar.

Haben die Organisationen bereits reagiert?

Nein. Auf den Seiten der NGOs finden sich keine öffentlichen Reaktionen auf die genannten Zusammenhänge mit den EU-Korruptionsvorwürfen.

Quellen: "Fight Impunity", "No Peace without Justice", "NZZ", "Der Standard", mit Material von AFP und DPA

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