EU legt Agenda 2020 vor Mehr Jobs, mehr Wachstum, weniger Armut

Die EU will mit einer neuen Wirtschaftsstrategie binnen zehn Jahren Wachstum ankurbeln, Jobs schaffen und Armut bekämpfen.

Als Konsequenz aus der Schuldenkrise Griechenlands wollen die EU-Staaten Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit angehen. Handlungsbedarf bestehe vor allem in Ländern mit anhaltend hohen Leistungsbilanzdefiziten und gesunkener Konkurrenzfähigkeit, hieß es in der Abschlusserklärung des EU-Gipfels am Freitag in Brüssel. Deutschland war von Frankreich kürzlich kritisiert worden, mit seinen Exportüberschüssen Euro-Partner zu benachteiligen. "Es gab keine Vorwürfe gegen Deutschland", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Gipfel. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet habe Deutschland ausdrücklich für seine Exportstärke gelobt. Die anderen Länder sollten sich nach ihrer Auffassung am stärkeren Land orientieren. "An dem sollten sich alle orientieren."

Bisher sei den Unterschieden in der Wettbewerbsfähigkeit und Ungleichgewichten in Europa und der Welt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, heißt es in den Schlussfolgerungen der EU-Staats- und Regierungschefs. Die stark rückläufige Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands etwa durch den kräftigen Anstieg der Lohnkosten ist eine maßgebliche Ursache der Schuldenmisere des Mittelmeer-Landes.

Van Rompuy hatte außerdem vorgeschlagen, die Wettbewerbsfähigkeit möge künftig anhand bestimmter Indikatoren regelmäßig gemeinsam überwacht werden, damit bei Fehlentwicklungen rechtzeitig gegengesteuert würde. Im Kreis der 16 Euro-Länder wollen die Finanzminister dies auch bereits zusätzlich zur regelmäßigen Kontrolle der Staatshaushalte tun. Die Erklärung der 27 EU-Staats- und Regierungschefs sieht das aber nicht vor. Das Thema werde beim EU-Gipfel im Juni weiter diskutiert, hieß es nur. Der amtierende EU-Ratspräsident, Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Zapatero, unterstützte Van Rompuy. "Die Initiative und Führung von Herman Van Rompuy ist ganz richtig, wir werden die Probleme jedes einzelnen Landes prüfen und uns koordinieren."

Die neue Wirtschaftsstrategie soll nun nach Willen der EU binnen zehn Jahren das Wachstum ankurbeln, Jobs schaffen und Armut bekämpfen. Die Kommission hat dazu die Agenda 2020 vorgelegt, die die gescheiterte Lissabon-Strategie ersetzt und im Juni verabschiedet werden soll. Auf dem EU-Gipfel am Freitag wurden mehrere der fünf Kernziele aber schon abgeschwächt. Hier die Ziele im Überblick:

Erstens: Die Beschäftigungsrate soll binnen zehn Jahren von 69 auf 75 Prozent gesteigert werden. Besonderer Wert wird auf die Eingliederung von Einwanderern, Frauen, jungen Erwachsenen und älteren Menschen gelegt. Dieses Ziel ist weitgehend unstrittig.

Zweitens: Private und öffentliche Investitionen in Forschung und Entwicklungen sollen auf je drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehoben werden. Die Bundesregierung ist damit einverstanden, es gibt aber Bedenken von anderen EU-Staaten.

Drittens: Die Treibhausgasemissionen sollen gegenüber 1990 um 20 Prozent gesenkt werden. Der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen soll auf 20 Prozent am Gesamtverbrauch steigen. Die Energieeffizienz soll um 20 Prozent gesteigert werden. Diese Ziele sind bereits im EU-Klimapaket vorgesehen.

Viertens: Zur Förderung der Bildungschancen soll die Zahl der Schulabbrecher gedrückt und die Zahl der Hochschulabsolventen angehoben werden. Die Kommission wollte verbindliche Ziele festschreiben: unter zehn Prozent bei den Schulabbrechern sowie eine Hochschulabschlussquote von 40 Prozent. Unter anderem auf Druck der Bundesregierung wurden die Zahlen vorerst wieder gestrichen. Der offizielle Grund: In Deutschland ist Bildungspolitik Ländersache. Davon abgesehen dürfte die Zielmarke von 40 Prozent für Deutschland schwer zu erreichen sein, laut OECD lag der Anteil der Hochschulabsolventen pro Jahrgang noch 2007 bei 23 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte aber am Freitag in Aussicht, sich im Juni auf Zahlen festlegen zu wollen.

Fünftens: Die Armut soll bekämpft werden. Hier wollte die Kommission das Ziel festschreiben, die Zahl der von Armut gefährdeten Menschen von 80 auf 60 Millionen zu senken. Auch da hat unter anderem Deutschland Bedenken, weil nicht klar sei, wie Armut definiert werden könne. In der Gipfelerklärung steht nun keine Zahl mehr, es heißt lediglich: Ein angemessener Indikator muss bis zum Juni noch erarbeitet werden.

Reuters
APN, Reuters