Europäische Union Sarkozy droht mit Erweiterungs-Stopp

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat die Einigung auf den EU-Reformvertrag zur Bedingung für eine weitere Vergrößerung der EU gemacht. Sollte er sich durchsetzen, werden Beitritts-Kandidaten noch lange außen vor bleiben, denn die EU vertagte ihre Entscheidung zum Reformvertrag auf Oktober.

Die Europäische Union kann nach Ansicht des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen, wenn der EU-Vertrag von Lissabon nicht in Kraft tritt. "Ohne Lissabon keine Erweiterung", sagte Sarkozy am frühen Freitagmorgen beim EU-Gipfel in Brüssel.

Der EU-Reformvertrag war vergangene Woche beim Referendum in Irland durchgefallen und kann deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Die EU-Länder sind entschlossen, den Vertrag dennoch zu retten und legen Irland nahe, ein zweites Mal abstimmen zu lassen.

Allerdings verzichten die europäischen Staats- und Regierungschefs auf ein neues Zieldatum für die Ratifizierung des Reformvertrags. Das geht aus dem Entwurf der Gipfel-Schlussfolgerungen hervor. In dem Papier, dass die Gipfelrunde an diesem Freitag in Brüssel verabschieden will, heißt es zum weiteren Ablauf: "Der Europäische Rat war sich einig, dass mehr Zeit zur Analyse der Situation benötigt wird." Obwohl verschiedene Gipfelteilnehmer zu Beginn des Gipfels am Donnerstag noch betont hatten, die Reform müsse "rechtzeitig" vor der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 2009 wirksam werden, wird in dem Entwurf kein Datum mehr genannt.

Die irische Regierung wird laut Gipfeldokument aktiv sowohl intern als auch mit den anderen Mitgliedstaaten beraten, "um einen Weg nach vorn vorzuschlagen". Beim nächsten EU-Gipfelttreffen im Oktober solle erneut über das Thema beraten werden.

Slowenien widerspricht Sarkozy

Mit dem Lissabon-Vertrag sollte die Arbeitsweise der EU nach der größten Erweiterung ihrer Geschichte grundlegend reformiert werden. "Ich würde es sehr seltsam finden, wenn ein Europa der 27, das Schwierigkeiten hat, sich auf arbeitsfähige Institutionen zu einigen, sich auf ein 28., 29., 30. und ein 31. (Land) einigen würde - was alles noch verschlimmern würde", sagte Sarkozy. Frankreich übernimmt im Juli von Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft.

Der amtierende EU-Ratspräsident, Sloweniens Staatschef Janez Jansa, widersprach Sarkozy. "Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Grund gibt für die Kandidatenländer, die die Regeln erfüllen und die über einen Beitritt verhandeln, diesen Prozess zu verlangsamen." Die Erweiterung dürfe der Krise um den EU-Vertrag nicht zum Opfer fallen.

Die EU verhandelt derzeit mit Kroatien und der Türkei über deren Beitritt zur Gemeinschaft. Kroatien ist in den Gesprächen weit fortgeschritten, die Verhandlungen mit der Türkei gehen nur sehr langsam voran. Sarkozy ist erklärter Gegner einer Aufnahme der Türkei.

Skeptische Tschechen

Wenn es nach ihm ginge, würde Kroatien ohne den Vertrag von Lissabon die Tür vor der Nase zugeschlagen. Der französische Präsident will die Erweiterung offenkundig als Druckmittel nutzen, die skeptischen osteuropäischen Länder zur Ratifizierung des Vertrages zu bringen. "Eine bestimmte Anzahl von Ländern, die Vorbehalte über Lissabon haben, sind die größten Anhänger der Erweiterung. Aber ohne Lissabon-Vertrag gibt es keine Erweiterung." Dies sei ein machtvoll motivierender Faktor zu ratifizieren.

Von den sieben EU-Ländern, die den Vertrag noch absegnen müssten, ist die Tschechische Republik sehr skeptisch. Dort hat der Senat den Vertrag an das Verfassungsgericht überwiesen. "Wenn dieses Votum heute wäre, würde ich keine 100 Kronen auf den Ausgang wetten", sagte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek. Er weigerte sich Diplomaten zufolge, in die Schlussfolgerungen des Gipfels jeglichen Hinweis auf die Ratifizierung aufzunehmen. Frankreich und Deutschland hatten gleich nach dem Debakel in Irland aufgerufen, alle anderen Länder mögen den Vertrag ratifizieren.

Sarkozy machte sich in der Gipfelrunde für die Deckelung der Mehrwertsteuer für Mineralölprodukte stark. Dazu heißt es in dem Gipfelpapier: "Der Europäische Rat fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob steuerliche Maßnahmen angewendet werden können, um den plötzlichen Anstieg des Erdölpreises abzumildern, und vor der Tagung des Europäischen Rats im Oktober hierüber Bericht zu erstatten." Im Entwurf der Schlusserklärung der europäischen Staats- und Regierungschefs wenden diese sich ausdrücklich gegen "wettbewerbsverzerrende finanzpolitische und andere politische Eingriffe".

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