Britische Ermittler haben am Fußballstadion des englischen Fußballclubs Arsenal London Spuren des radioaktiven Stoffes Poloniums 210 gefunden, mit dem der frühere russische Agent Alexander Litwinenko vergiftet wurde. Es seien winzige und kaum nachweisbare Mengen des Stoffes entdeckt worden, sagte eine Sprecherin der Gesundheitsbehörde. Für die Öffentlichkeit bestehe keine Gefahr.
In dem Fall ermitteln britische Kriminalbeamte derzeit auch in Russland. Unter anderem wollen sie einen Russen befragen, der am 31. Oktober nach London reiste, um am 1. November, dem Tag von Litwinenkos Erkrankung, mit seiner Frau und seinen drei Kindern das Champions-League-Spiel von Arsenal gegen ZSKA Moskau zu sehen. Kurz vor dem Spiel hatte er den Putin-Gegner Litwinenko in einem Hotel getroffen.
Scaramella geht es gut
Dem italienischen Geheimdienstexperten Mario Scaramella, bei dem nach dem Gifttod des Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko ebenfalls erhöhte Werte des radioaktiven Poloniums 210 festgestellt worden waren, geht es nach eigenen Angaben gut. Zwar sei ihm gesagt worden, dass er rund ein Zwanzigstel der bei Litwinenko tödlichen Dosis des hochgiftigen Stoffes im Körper habe, sagte der Italiener dem US-Sender CNN.
Es gebe bei ihm aber "keine Anzeichen einer Vergiftung", sagte Scaramella. "Mir geht es absolut gut." Er erwarte in den kommenden Tagen Ergebnisse einer weiteren Untersuchung, sagte der 36-Jährige in dem Interview, das in einem Londoner Krankenhaus aufgezeichnet wurde, in das er vorsorglich gebracht worden war. "Ich hoffe, dass ich überhaupt nicht vergiftet wurde."
Scaramella bezweifelte, dass Litwinenko in der Londoner Sushi-Bar vergiftet wurde, in der er sich mit ihm am 1. November getroffen hatte. Kurz nach dem Treffen war Litwinenko erkrankt. "Ich glaube nicht, dass es dort passiert ist." Ihm sei in dem Restaurant nichts Verdächtiges aufgefallen. Er selbst habe dort nur ein Glas Wasser zu sich genommen. "Ich habe nichts gegessen, denn es war nicht Essenszeit, und außerdem mag ich diesen rohen Fisch nicht."
Russische Behörden setzen enge Grenzen
Bei ihren Ermittlungen in Moskau werden den britischen Fahndern von den russischen Behörden enge Grenzen gesetzt. Generalstaatsanwalt Juri Tschaika schloss eine Befragung der Führung des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB aus. Die Beamten von Scotland Yard dürften Zeugen nicht eigenständig vernehmen.
Eine mögliche Auslieferung Verdächtiger an Großbritannien verbiete die russische Gesetzgebung, sagte Tschaika. Er schloss zudem aus, dass das Polonium 210 aus Russland stammen könnte. In den von ausländischer Seite genannten Atomanlagen werde diese Substanz nicht hergestellt. Die britischen Ermittler sollten stattdessen im eigenen Land suchen, sagte Tschaika. Vize-Justizminister Wladimir Kolesnikow regte an, Russland solle im Fall Litwinenko eigene Ermittlungen beginnen. Man dürfe nicht vergessen, dass Litwinenko auch russischer Staatsbürger war.
Lugowoj sagt aus
Der wichtigste Zeuge, Andrej Lugowoj, sagte der Agentur Itar-Tass, er sei bereit, alle Fragen von Scotland Yard zu beantworten. Der Unternehmer und frühere Geheimdienstler und seine Familie waren am Morgen überraschend ins Krankenhaus gebracht worden.
In seinem Londoner Hotelzimmer und in den Maschinen von British Airways, mit denen Lugowoj von Moskau nach London geflogen war, hatten britische Ermittler Spuren von Polonium 210 gefunden. Lugowoj hatte Litwinenko auch am 1. November getroffen, an dem Tag, an dem Litwinenko vermutlich mit der hoch radioaktiven Substanz vergiftet worden war. Die Briten wollen in Moskau mehrere Russen befragen, die in London mit Litwinenko zusammengetroffen waren.
In Moskau bestätigten Ärzte unterdessen den Verdacht einer Vergiftung des früheren russischen Regierungschefs Jegor Gaidar. Es sei aber völlig unklar, welche Substanz die Erkrankung verursacht habe, sagte Gaidars Sprecher Waleri Natarow. Gaidars Tochter Maria hatte zuvor den Verdacht geäußert, der regierungskritische Wirtschaftsexperte sei einer "politischen Vergiftung" zum Opfer gefallen. Einen konkreten Beweis für einen Giftanschlag konnten die russischen Ärzte bislang nicht finden. Gaidar durfte das Krankenhaus verlassen.