Geberkonferenz Dollarregen für den Libanon

Die internationale Gemeinschaft unterstützt den von Kriegsfolgen zerrütteten Libanon und seine bedrängte Regierung mit mehr als 7,6 Milliarden US-Dollar. Zeitgleich eskalierte in Beirut die Gewalt, bei Straßenschlachten gab es mindestens drei Tote.

Ein halbes Jahr nach dem Krieg im Libanon will die internationale Gemeinschaft dem Land beim Wiederaufbau mit Milliardenhilfen unter die Arme greifen. Vertreter aus mehr als 40 Staaten versprachen der pro-westlichen Regierung am Donnerstag bei einer Geberkonferenz in Paris Hilfen und Darlehen von 7,6 Milliarden Dollar (rund sechs Milliarden Euro) und damit weit mehr als erwartet. Das Geld ist teils an ein Reformprogramm geknüpft, das Ministerpräsident Fuad Siniora zur Belebung der libanesischen Wirtschaft angekündigt hat.

1,1 Milliarden Dollar kommen aus Saudi-Arabien

"Die Gesamtsumme, die für den Libanon gesammelt wurde, beträgt etwas mehr als 7,6 Milliarden Dollar", verkündete der französische Präsident Jacques Chirac. Allein Saudi-Arabien sagte 1,1 Milliarden Dollar zu. Die USA kündigten 770 Millionen Dollar an, der Arabische Währungsfonds und die Weltbank jeweils 700 Millionen Dollar. Die Europäische Union will knapp 400 Millionen Euro beisteuern, und für die deutsche Regierung bot Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul 103 Millionen Euro an, die vor allem für Wiederaufbauprojekte eingesetzt werden sollen. Frankreich will zinsgünstige Darlehen über 500 Millionen Euro vergeben, Großbritannien 37 Millionen Euro vor allem als Flüchtlingshilfe beisteuern. Weitere Einzelheiten der verschiedenen Hilfspakete waren zunächst nicht bekannt.

"Ich bin wirklich zufrieden mit der Höhe der finanziellen Unterstützung, die heute angeboten wurde", sagte Siniora auf der Abschlusspressekonferenz. "Das libanesische Volk verdient ein Leben in Frieden", erklärte US-Außenministerin Condoleezza Rice. "Die Menschen verdienen es, die Entscheidungen über ihre politische Zukunft ohne eine Bedrohung durch Gewalt und frei von politischer Erpressung zu treffen." Die libanesische Regierung wird seit Wochen von der Opposition belagert, die unter Führung der radikal-schiitischen Hisbollah eine Sperrminorität im Kabinett fordert.

Die "Schweiz des Nahen Ostens" ist fast pleite

Der fünfwöchige Krieg zwischen Israel und der radikal-schiitischen Hisbollah im vergangenen Sommer hatte die Finanz- und Wirtschaftskrise des Levante-Staates drastisch verschärft. Das ehemals als "Schweiz des Nahen Ostens" titulierte Land ächzt unter einer Schuldenlast, die sich hauptsächlich während des 15-jährigen Bürgerkriegs bis 1990 angesammelt hatte. Sie beträgt mit mehr als 30 Milliarden Euro fast den doppelten Umfang des Bruttoinlandsprodukts. Allein der Schuldendienst wird in diesem Jahr die Hälfte der öffentlichen Ausgaben verschlingen.

Siniora zeichnete in Paris ein düsteres Bild der Lage: "Nach dem israelischen Schlag gegen unser Land stehen wir am Rande einer tiefen Rezession", sagte er. Ein Scheitern seines Landes werde die Welt aber ungleich teurer zu stehen kommen als dem Libanon jetzt zum Erfolg zu verhelfen. Die westlichen Staaten und ihre arabischen Verbündeten versuchen mit ihren Hilfen nicht zuletzt das libanesische Volk davon zu überzeugen, dass es von einem Bündnis mit dem Westen sowie von Demokratie und Marktwirtschaft ein besseres Leben erwarten kann als unter dem Einfluss der Hisbollah und deren Partnern Syrien und Iran. Die Hisbollah hat den Krieg mit Israel ausgelöst.

Mindestens drei Tote

Unbeeindruckt von der Pariser Konferenz gingen die gewaltsamen Proteste im Libanon weiter. Zwei Tage nach den letzten Zusammenstößen gab es erneut Tote. Nach Angaben von Krankenhausärzten wurden mindestens drei Studenten getötet, als Anhänger der Opposition und regierungstreue Studenten an der Arabischen Universität in Beirut mit Schlagstöcken und Steinen aufeinander losgingen. Außerdem gab es nach Militärangaben mehr als 50 Verletzte. Am Abend verhängte die Armee eine Ausgangssperre bis zum Freitagmorgen. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah rief seine Anhänger auf, der Anweisung der Armee zu folgen.

Zuvor hatten bereits andere Vertreter der schiitischen Oppositionsparteien Hisbollah und Amal die Studenten aufgefordert, "sofort die Straße zu verlassen und nach Hause zu gehen". Der sunnitische Abgeordnete Saad al-Hariri, ein enger Verbündeter von Regierungschef Fuad Siniora, appellierte an alle Beteiligten, die Selbstbeherrschung zu wahren. Die Gewalt sei "der Versuch, die sehr positiven Ergebnisse der Geberkonferenz für den Libanon in Paris zu sabotieren".

Opposition lässt nicht locker

Ein verletzter Student sagte, die Gewalt an der Universität sei zuerst von Anhängern der Opposition ausgegangen. "Sie hatten sich darauf vorbereitet, sie hatten Helme und Stöcke dabei", erklärte der Student. Als Studenten am späten Nachmittag Straßen rund um die Universität mit brennenden Autoreifen blockierten, stiegen Rauchwolken über dem Viertel auf. Die Armee und die Polizei versuchten nach Angaben von Augenzeugen vergeblich, die Kontrahenten mit Schüssen in die Luft auseinander zu treiben.

Bei einem von Gewalt begleiteten Generalstreik, zu dem die Opposition aufgerufen hatte, waren am vergangenen Dienstag drei Menschen getötet und mehr als 100 weitere verletzt worden. Die Opposition, zu der neben der pro-iranischen Hisbollah und der Amal- Bewegung von Parlamentspräsident Nabih Berri auch die Anhänger des Christen-Generals Michel Aoun gehören, will die Siniora-Regierung stürzen oder sie zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zwingen. Siniora und seine Verbündeten, zu denen vor allem Sunniten und Christen gehören, wirft der Opposition vor, sie wolle die Regierung stürzen, um den Syrern, die bis 2005 Truppen im Libanon hatten, wieder mehr Einfluss zu verschaffen.

Reuters
Francois Murphy und Arshad Mohammed/Reuters