Gewaltsame Proteste in Tunesien Krawalle in Tunis setzen sich am Abend fort

Die Regierung schloß die Unis. Sie entließ den Innenminister und verhängte in der Nacht Ausgangssperren in der Hauptstadt Tunis. Die Unruhen konnten sie dadurch nicht stoppen. Auch am späten Abend ist es zu weiteren Ausschreitungen gekommen.

In mehreren Armenvierteln von Tunis ist es trotz einer Ausgansgsperre am Mittwochabend zu schweren Krawallen mit zahlreichen Verletzten gekommen. Nach unbestätigten Berichten gab es erneut Tote, doch war eine Überprüfung dieser Informationen nicht möglich. Krankenwagen fuhren mit heulenden Sirenen durch die Stadt, mehrere Polizeiwachen wurden in Brand gesteckt. In den Straßen waren bis spät in den Abend Schüsse zu hören. Unklar war, ob Tränengas- Granaten oder scharfe Munition verschossen wurde.

In der Nacht kehrte in mehreren Viertel der Hauptstadt wieder Ruhe ein. Dies bestätigten Anwohner.

Nach Aussage von zwei Zeugen demonstrierten am Mittwoch auch in der westtunesischen Stadt Kasserine Tausende Menschen und forderten die Ablösung von Präsident Ben Ali. Die Polizei habe nicht eingegriffen. Den Zeugen zufolge bewachten Soldaten Gebäude, schritten aber ebenfalls nicht ein. In der Stadt Thala erschossen Sicherheitskräfte einen jungen Mann. Der 23-Jährige sei taub gewesen und habe die Anordnungen der Polizei nicht verstehen können, berichtete sein Bruder. Die Zahl der Toten stieg damit auf mindestens 24, die vier Toten aus Douz noch nicht mitgerechnet. Menschenrechtsorganisationen gehen von einer weit höheren Zahl aus.

Die Demonstranten hätten die Abdankung des autokratischen Langzeitpräsidenten Zine el Abidine Ben Ali gefordert und ihn und seine Familie verunglimpft, berichteten Gewerkschaftssprecher. Auch aus anderen Teilen des Landes gab es Berichte über erneute Krawalle. In der rund 450 Kilometer von Tunis entfernten Stadt Gafsa soll die Polizei nach Angaben von Augenzeugen vor den Demonstranten geflohen sein. Mehrere Geschäfte seien geplündert worden.

Ben Ali hatte am Mittwoch den Innenminister gefeuert und verkündet, inhaftierte Demonstranten freizulassen. Zum Schutz wichtiger Gebäude marschierten Soldaten auf. Der seit Mitte Dezember anhaltende Protest gegen die hohe Arbeitslosigkeit hat sich mittlerweile zu einer regimekritischen Massenbewegung in diversen Orten des Landes ausgeweitet. Bei den Opferzahlen der Krawalle gehen die Angaben weit auseinander. Die Regierung sprach am Dienstagabend von 21 Toten, Gewerkschafter gehen von 50 Toten seit dem Wochenende aus.

USA und EU zeigen sich besorgt

Die Europäische Union verurteilte das Vorgehen der Sicherheitskräfte. "Wir können den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten durch die Polizei nicht akzeptieren", sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Die Täter müssten vor Gericht gestellt werden. Zudem mahnte die Sprecherin die tunesische Regierung, Menschenrechte nicht zu verletzen. Auch das US-Außenministerium hatte sich am Dienstag besorgt geäußert. Nach Darstellung der tunesischen Regierung handelten die Beamten in Selbstverteidigung.

DPA · Reuters
Reuters/DPA