Die Athener Tageszeitung "To Vima" titelte: "Reise im Todeskampf". Das ebenfalls liberale Blatt "Ta Nea" schreibt von einer "dreitägigen Schlacht", die nun beginne und schildert das "Armageddon“ um den Verbleib in der Eurozone. Griechenlands konservativer Ministerpräsident Antonis Samaras macht am Freitag seinen Antrittsbesuch bei Angela Merkel. Dann geht's weiter nach Paris zu François Hollande. Er will beide darum bitten, ihm für die geforderten Sparmaßnahmen mehr Zeit zu geben. Doch schnelle Zusagen wird es nicht geben.
Die Reise ist der Start zu einer neuen Etappe im endlosen Verhandlungspoker um die drohende Pleite Griechenlands. Am 3. September werden die Chefs der Troika (das Geldgeber-Trio EU, EZB, IWF) abermals in Athen aufschlagen, um den Reformfortgang zu prüfen. Schon jetzt ahnt jeder: Das Ergebnis wird so katastrophal wie immer ausfallen. Wegen des ungewissen Ausgangs der vergangenen Wahl haben viele Griechen es vorsorglich mal gelassen, Steuern zu zahlen. Die tröpfeln erst jetzt langsam ein.
11,2 Milliarden Euro Steuern hinterzogen?
Gleichzeitig legte die Universität Chicago laut der Tageszeitung "Kathimerini" eine "schockierende Studie" vor, wonach Selbstbeständige und Freiberufler Einkommen in Höhe von 28 Milliarden Euro nicht versteuert haben. Zu dieser Zahl kamen die US-Wissenschaftler, indem sie Kreditverpflichtungen mit angeblichen Einkünften verglichen und ein aberwitziges Missverhältnis feststellten. Ärzte, Ingenieure, Buchhalter und Rechtsanwälte stünden ganz oben auf der Liste der Steuersünder. Dank ihnen entgingen dem Staat mal wieder 11,2 Milliarden Euro, was ziemlich genau dem neuen Sparpaket entspricht, das die Samaras-Regierung gerade durchs Parlament bringt.
Es ist also alles beim Alten in Griechenland. Dort, wo Druck ausgeübt wird, passiert etwas. Ohne Druck herrscht Schlendrian. Dazu kommen die schlimmsten Wirtschafts- und Arbeitslosenzahlen, die man sich vorstellen kann. Nun hat Samaras in zwei Interviews versprochen, dass er richtig aufräumen will in seinem Land. In der "Süddeutschen Zeitung" garantierte er sogar "persönlich" dafür, dass Griechenland alle seine Schulden begleicht. Was er mit persönlich meint, sagte er nicht. Und der "Bild"-Zeitung versicherte er, das Land werde ein "spektakuläres Comeback hinlegen". So wie einst die griechische Fußballnationalmannschaft bei der EM 2004 unter Trainer Otto Rehhagel, wie Samaras sagte. Doch elf Mann auf Kurs zu bringen ist eine Sache, elf Millionen eine andere. Samaras' Akzeptanz im Volk ist beschränkt. Es gibt Umfragen, wonach 80 Prozent der Griechen meinen, er sei für den Posten des Premiers überhaupt ungeeignet.
Samaras will seine Kritiker milde stimmen
Doch Samaras ist ein Taktiker. Er weiß, dass es in den kommenden Monaten mal wieder um alles geht und setzt auf volles Risiko. Sein Interview in "Bild" ist das beste Beispiel. Die Griechen hassen das Boulevardblatt. Für drei Jahre Anti-Griechenland-Schlagzeilen wie "Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen!". Für die permanente Forderung, sie aus der Eurozone zu werfen. Und für jenen Tag, als ein Reporter auf der Straße Drachmen verteilte. Die Aktion hieß: "Bild gibt den Pleite-Griechen die Drachme zurück." Die Griechen machten ihrer Wut über das Interview in Radio und Internet Luft: "Wie konnte Samaras mit diesen Schmierfinken reden, ohne dass die sich mal entschuldigt hätten?", fragte einer.
Samaras will seine schlimmsten Kritiker in Deutschland eben eine Weile milde stimmen. Denn Mitte September trifft sich auf Zypern die Eurogruppe. Im Oktober ist dann EU-Gipfel in Brüssel. Vom Troika-Bericht soll abhängen, ob die nächste 31-Milliarden-Tranche aus dem Hilfspaket an Athen überweisen wird (ohne sie wäre das Land pleite). Und ob Samaras den geforderten Aufschub bei der Umsetzung der Sparmaßnahmen bekommt. In dieser Frage dürfte die deutsche Kanzlerin - wie so oft seit dem Ende der Sarkozy-Merkel-Allianz - ziemlich einsam als Hardlinerin dastehen. Sicher ist, dass die Griechen in den kommenden Monaten nicht aus der Eurozone fliegen. Schon allein wegen der US-Wahlen im November, denn die EU möchte Obamas Wiederwahl nicht durch schlechte Nachrichten gefährden. Und so geht das griechische Drama im Frühjahr 2013, wenn wieder eine Kredit-Tranche fällig wird, in seinen nächsten Akt.