Harmonische Athen-Visite Merkel nicht mehr das Schreckgespenst der Griechen

Zorn, Zehntausende auf den Straßen, Hitler-Vergleiche: Beim letzten Besuch bekam Kanzlerin Merkel die volle Wut der Griechen ab. Dieses Mal bleibt es harmonisch. Das Land ist noch nicht gerettet.

Viele Griechen wollten am Freitag ihren Augen nicht trauen. Sind das dort wirklich Antonis Samaras und Angela Merkel? So fragte ein griechischer Journalist am Abend während der Pressekonferenz zum Abschluss des Besuches der Bundeskanzlerin in Athen. Beim letzten Merkel-Besuch vor zwei Jahren hatten sich die beiden Regierungschefs noch misstrauisch gegenüber gestanden.

"Ja, die Stimmung ist völlig anders", sagt ein enger Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten. Bei den Gesprächen am Freitag kamen zwei alte Bekannte zusammen und erklärten, sie wollten Hand in Hand die Krise in Griechenland überwinden.

Samaras erinnerte daran, dass er 2012 in Berlin und in Athen versprochen habe, sein Land werde es schaffen. Und Griechenland habe es Dank der EU-Partner "und der Deutschen geschafft".

Merkel zieht Parallelen zur Ex-DDR

Die Kanzlerin zeigte Verständnis für die Lage der Griechen, deren Wirtschaft am Boden ist. Merkel zog eine Parallele zu ihrer ostdeutschen Herkunft. Aus ihrer Sicht sind innovative Firmen ein wesentlicher Baustein für die Zukunft des krisengeschüttelten Landes.

Auch nach der deutschen Wiedervereinigung hätten viele Menschen ihre Arbeit verloren, viele sich in neuen Situationen zurechtfinden müssen, sagt Merkel. Später dann hätten sie erkannt: "Die Chancen und die Möglichkeiten überwiegen. Und ich bin ganz sicher, das wird auch in Griechenland so sein, trotz der schweren Wegstrecke."

Nicht als Lehrerin, die ihrem konservativen Parteifreund Samaras Noten erteilt, will Merkel in Athen wahrgenommen werden. Tatsächlich sei die griechische Regierung schon ordentlich vorangekommen auf dem Reformweg, verlautet aus dem Kanzleramt.

Ruhe auch auf den Straßen

Beispiel Lohnstückkosten: Die haben sich so entwickelt, dass es eine reale Chance für die Griechen gebe, wettbewerbsfähig zu werden. Landwirtschaft und Tourismus sieht die Bundesregierung als Fundament der Entwicklung, hier gibt es eine gute Ausgangslage. 2013 war das seit langem beste Jahr für die griechische Tourismusbranche.

Als Katastrophe empfindet auch die Kanzlerin die hohe Arbeitslosigkeit. Ihr Rezept: Geduld. Zuerst muss das Vertrauen zurückkehren, dann das Wachstum kommen - so werde auch die Beschäftigungslage besser, wenn auch nicht von heute auf morgen, hoffen die Deutschen.

Völlig anders war dieses Mal auch die Stimmung auf den Straßen Athens. Als Merkel im Oktober 2012 zuletzt in Griechenland war - damals mitten in der Schuldenkrise - schlug ihr teils blanker Hass entgegen. Es gab Demonstrationen mit 30.000 Teilnehmern, die Menschen machten sie persönlich für die schwierige Lage verantwortlich. Selbst Hitler-Vergleiche konnten sich manche nicht verkneifen. Diesmal gingen trotz Aufrufe der starken Linkspartei nicht mehr als 1500 Menschen auf die Straßen. Deren Demonstration löste sich schnell auf.

Das Sparen hat sich gelohnt

Vieles ist in Griechenland teurer geworden - und das bei der hohen Arbeitslosigkeit. Immer noch gibt es zu wenig Wettbewerb, der Regierungsapparat ist zu behäbig. Die Griechen bräuchten Wettbewerb, betont die Kanzlerin.

Und die vermaledeite Kreditklemme soll endlich gelöst werden - einen Hebel dazu sehen die Deutschen in einer gemeinsamen Förderbank für die Wirtschaft. Einen ersten Baustein dazu hat die Kanzlerin im Gepäck: Berlin stellt 100 Millionen Euro als Globaldarlehen zur Verfügung.

Aus Sicht griechischer Analysten profitieren aber nicht nur die Griechen von der Visite. Vor der Europawahl am 25. Mai wollten Merkel und Samaras zeigen: Die Anstrengungen und unpopulären Sparmaßnahmen der vergangenen vier Jahre haben sich gelohnt.

"Ich habe keine Arbeit"

Für die Griechen wächst die Hoffnung auf Besserung - sie konnten am Donnerstag erstmals seit 2010 wieder Staatsanleihen platzieren. Das Krisenland erhielt rund drei Milliarden Euro von den Märkten für eine fünfjährige Laufzeit.

Samaras braucht Merkels Unterstützung dringend, die Stimmung in der Bevölkerung ist desolat. 27 Prozent der Griechen sind arbeitslos. Ihnen bringt der erfolgreiche Marktgang nur wenig.

"Ich habe keine Arbeit. Meine zwei Kinder auch nicht. Wir leben vom Lohn meiner Frau. Das sind 780 Euro", sagt Stelios Sarantis, ein arbeitsloser Maurer, in Athen. Zur Anti-Merkel-Demonstration ging er am Freitag aber nicht.

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Takis Tsafos und Jörg Blank/DPA