Irak-Krise US-Senat verurteilt Misshandlungen im Irak

Bush und Blair wollen die Folter-Vorwürfe umfassend aufklären. Dabei stärkt Bush Rumsfeld den Rücken. Die Vorwürfe werden Thema beim USA-Besuch von Bundesaußenminister Fischer sein.

Nach dem Repräsentantenhaus hat auch die zweite Kammer des US-Kongresses, der Senat, die Misshandlungen irakischer Gefangener durch amerikanische Soldaten einstimmig verurteilt. Die Schuldigen müssten zur Verantwortung gezogen werden, verlangten die Senatoren in einer Resolution. Die 92 anwesenden Senatoren beider Parteien stimmten dafür. Am vergangenen Donnerstag hatte das Repräsentantenhaus eine ähnliche Resolution mit 365 gegen 50 Stimmen verabschiedet.

US-Präsident George W. Bush sah bei einem Besuch im Pentagon neue, bislang unveröffentlichte Bilder von Misshandlungen irakischer Gefangener. "Die Reaktion des Präsidenten war tiefe Abscheu, dass sich jemand, der unsere Uniform trägt, an derart beschämenden und entsetzlichen Akten beteiligen kann", sagte Präsidentensprecher Scott McClellan in Washington. Ob die Bilder veröffentlicht werden, sei eine Entscheidung des Pentagon, sagte McClellan. Nach Medienberichten dringt das Weiße Haus auf die Veröffentlichung. Erstmals gingen vier Militärzeitungen auf Distanz zur US-Armeeführung. Die Misshandlung der Häftlinge sei ein Fehler, der direkt zur Spitze hinführe, heißt es in Kommentaren der "Army Times", "Airforce Times", "Navy Times" und "Marine Corps Times".

Bushs Ansehen sinkt

Bush stärkte seinem Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erneut den Rücken und erteilte allen Forderungen nach einem Rücktritt des Ministers eine Absage. Rumsfeld leiste "hervorragende" Arbeit und sei ein "mutiger" Führer im Kampf gegen den Terrorismus, sagte Bush nach seinem demonstrativen Besuch im Pentagon. Die Vereinigten Staaten schuldeten Rumsfeld Dank.

Der Skandal um die Misshandlung irakischer Gefangener hat in den USA zu einem Ansehensverlust des Präsidenten geführt. Nur noch 46 Prozent der Befragten zeigten sich in einer Umfrage im Auftrag von CNN und der Zeitung "USA Today" zufrieden mit Bushs Amtsführung, weniger als je zuvor seit seinem Amtsantritt vor gut drei Jahren. Erstmals äußerten mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) Missbilligung. Im April vergangenen Jahres waren noch 70 Prozent mit Bushs Amtsführung zufrieden, im Januar 2002 sogar 84 Prozent.

Entschuldigungen auch aus London

In London wies der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon Vorwürfe zurück, wonach die Regierung Informationen über mögliche Misshandlungen verschwiegen habe. Vor dem Unterhaus versprach Hoon eine lückenlose Aufklärung. Zuvor hatte sich nach Bush auch der britische Premierminister Tony Blair entschuldigt, der sich mit Rücktrittsforderungen aus den eigenen Reihen konfrontiert sieht. Blair kündigte die lückenlose Aufklärung aller Vorwürfe und eine Bestrafung der Verantwortlichen an. "Wir bitten alle um Entschuldigung, die von unseren Soldaten misshandelt wurden", sagte Blair dem französischen Fernsehsender FR3 am späten Sonntagabend.

Verteidigungsminister Hoon stand dem Parlament Rede und Antwort zu Vorwürfen, die Regierung Blair habe bereits seit Februar durch einen Bericht des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) Informationen über Übergriffe britischer Soldaten erhalten. Der Minister sagte in Übereinstimmung mit einer Sprecherin von Blair, das Kabinett habe erst "vor sehr kurzer Zeit" Kenntnis von dem Bericht enthalten.

Zweifel an Echtheit von Fotos

Hoon zweifelte gleichzeitig die Echtheit von Fotos über Misshandlungen durch britische Soldaten an, die der "Daily Mirror" kürzlich veröffentlicht hatte. Dennoch würden auch diese Anschuldigungen untersucht. Ebenso werde auch Berichten der Menschenrechtsorganisation Amnesty International nachgegangen. Amnesty hatte mitgeteilt, sie habe die Regierung bereits vor einem Jahr über mögliche Misshandlungen bis hin zu Tötungen Seitens britischer Truppen im Irak informiert. Auch das IKRK hat bereits vor dem Ende der Kampfhandlungen im Irak vor einem Jahr erstmals auf Misshandlungen von irakischen Gefangenen hingewiesen. Das berichtete die amerikanische Tageszeitung "The Wall Street Journal" unter Berufung auf einen vertraulichen Bericht der Hilfsorganisation.

Fischer in Washington eingetroffen

Außenminister Joschka Fischer ist zu einem dreitägigen USA-Besuch in Washington eingetroffen. Fischer will am Dienstag mit seinem amerikanischen Amtskollegen Colin Powell zusammenkommen. Im Mittelpunkt des Gesprächs dürfte die Entwicklung im Irak stehen. Dabei will die deutsche Seite über die Aufgaben der geplanten Übergangsregierung sowie über die Rolle der Vereinten Nationen sprechen.

Das Auswärtige Amt geht davon aus, dass auch die Folterungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten angesprochen werden. Fischer hatte eine Bestrafung der Verantwortlichen gefordert. Weitere Themen sind die Lage in Nahost und in Afghanistan. Am Mittwoch trifft Fischer auch mit US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zusammen.

Deutsche Regierung will keine Oberlehrerhaltung einnehmen

Der Besuch Fischers ist Teil der wieder enger gewordenen deutsch-amerikanischen Konsultationen. Außer Fischer halten sich derzeit auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Innenminister Otto Schily (SPD) in Washington auf, um den G-8-Gipfel im Juni auf Sea Island (Bundesstaat Georgia) vorzubereiten.

Zypries setzte sich erneut für den Beitritt der USA zum Internationalen Strafgerichtshof ein. Die Verletzung der Menschenrechte durch Besatzungssoldaten in irakischen Gefängnissen zeige auch, wie wichtig der Kampf "für die Globalisierung der Grundrechte" sei, betonte die Ministerin am Montag in Washington. Die Taten im Irak ließen sich "durch nichts rechtfertigen".

Schily bezeichnete die Vorgänge im Militärgefängnis von Abu Ghoreib als "schweren Rückschlag für die Koalitionskräfte im Irak, aber auch im Kampf gegen den Terrorismus. Das war ein schwerer Verstoß gegen alles, was die USA repräsentieren, wie Demokratie und Freiheitsrechte.» Die Schuldigen müssten bestraft werden. Die Vorgänge würden bei den politischen Gesprächen in Washington angesprochen. Die deutsche Regierung hüte sich aber davor, eine Oberlehrerhaltung einzunehmen.

Erneute Zusammenstöße im Irak

Die spanischen Truppen im Irak wollen ihr Hauptquartier in der Stadt Diwanija spätestens in einer Woche dem amerikanischen Militär übergeben. Das teilte Verteidigungsminister José Bono in Madrid mit. Bei Gefechten zwischen Milizen des radikalen Schiiten-Predigers Muktada el Sadr und US-Soldaten sind der Nacht zum Montag in der Bagdader Vorstadt Sadr-City 35 schiitische Milizionäre getötet worden. US-Truppen zerstörten dort außerdem das Büro der Bewegung El Sadrs, wie das US-Militär erklärte.

Bereits am Sonntag waren bei Gefechten 19 schiitische Milizionäre getötet worden. Krankenhausärzte berichteten, bei Vorstößen der US-Armee in die südirakische Stadt Kufa seien 12 Iraker getötet und 18 verletzt worden. Bei einem Überfall auf eine Patrouille in der nordirakischen Stadt Mosul wurde nach US-Militärangaben am Montag ein US-Soldat getötet. In der nordirakischen Stadt Kirkuk töteten Unbekannte einen südafrikanischen Ingenieur und seinen irakischen Kollegen. Ein dritter Kollege aus Neuseeland wurde schwer verletzt. Die Männer arbeiteten für das städtische Elektrizitätswerk.

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DPA/Agenturen