Irak Viele Tote bei Selbstmordanschlägen

Der Irak ist von einer Serie von Anschlägen erschüttert worden: Mehrere Selbstmordattentäter haben mehr als 70 Menschen mit in den Tod gerissen, Dutzende wurden verletzt.

Bei Selbstmordanschlägen auf schiitische Moscheen im Nordosten des Iraks sind am Freitag mehr als 70 Menschen getötet und rund 150 weitere verletzt worden. Lokale Abgeordnete gingen sogar von mehr als 100 Toten aus, weil viele Menschen von den Trümmern der beiden Gebetshäuser begraben wurden. Die Anschläge drohten im Vorfeld der für Dezember geplanten Parlamentswahlen die Spannungen zwischen den Religions- und Bevölkerungsgruppen im Land weiter zu verschärfen. In Bagdad rissen Selbstmordattentäter mindestens sechs Menschen in den Tod, als sie bei ihrem Anschlag auf ein Hotel ein benachbartes Wohngebäude zerstörten. Unter den Toten waren auch zwei Kinder.

Das Krankenhaus der nordostirakischen Stadt Chanakin gab die Zahl der Toten in den beiden Moscheen mit mindestens 74 an. Viele Leichen seien so verstümmelt, dass sie kaum zu identifizieren seien, sagte der Direktor der Klinik, Kamaran Ahmed. Die Selbstmordattentäter hatten sich Polizeiangaben zufolge unter die Gläubigen gemischt, die zum Freitagsgebet in die relativ kleinen Moscheen gekommen waren. Den Polizeiangaben zufolge zündeten sie ihre Sprengsätze, als die Gebetshallen gut gefüllt waren. Beide Moscheen stürzten in sich zusammen. Die Zerstörung sei so groß, dass viele Opfer unter den Trümmern vermutet werden müssten, sagte Ibrahim Ahmed Badschalan ein Mitglied des für Chanakin zuständigen Provinzrates von Dijala. "Ich glaube, es sind mehr als hundert Menschen tot", sagte er.

Chanakin liegt in der Nähe der kurdischen Stadt Suleimanija an der Grenze zum Iran und ist mehrheitlich von Schiiten und Kurden bewohnt. Eine kurdische Miliz übernahm nach den Anschlägen die Kontrolle über die Stadt. Sie gilt als loyal zu den großen kurdischen Parteien in dem Gebiet. Die schiitische Gemeinschaft war in den vergangenen Monaten wiederholt das Ziel von Attentaten der mehrheitlich sunnitischen Aufständischen. Die USA und die irakische Regierung verdächtigen die Sunniten, damit einen Bürgerkrieg anzetteln zu wollen. Die Sunniten fühlen sich seit dem Umsturz im Land benachteiligt. Sie dominierten als Minderheit Politik und Verwaltung unter Saddam Hussein. Bei den jüngsten Wahlen haben sich aber die schiitische Mehrheit und die Kurden durchgesetzt. An dieser Machtverteilung dürfte sich auch durch die Parlamentswahl am 15. Dezember nichts ändern.

Anschläge galten einem Hotel

Die Selbstmordanschläge in Bagdad galten Polizei- und Sicherheitsvertretern zufolge einem hochklassigen Hotel in der Nähe des Innenministeriums. Demnach versuchte der erste Attentäter mit einer Explosion die Außenmauer des Hotelbereichs so weit aufzureißen, dass sein Komplize mit einem Kleinbus auf das Gelände fahren und einen weiteren Sprengsatz dort zünden konnte. Der Plan sei aber offenbar nicht aufgegangen und die Wucht der Explosionen habe stattdessen vor allem das benachbarte Gebäude getroffen. Mindestens 40 Menschen seien verletzt worden.

Das Hotel liegt mehrere hundert Meter von einem Bunker des Innenministeriums entfernt, in dem US-Soldaten am Sonntag 170 Gefangene entdeckten, von denen einige offenbar geschlagen und gefoltert worden waren. Die Vereinten Nationen (UN) forderten die irakische Regierung am Freitag auf, eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle zuzulassen, um Vorwürfe zu klären, schiitische Milizen hätten die zumeist sunnitischen Gefangenen mit Billigung des Innenministeriums gequält. Auch dieses Ereignis offenbarte das tiefe Misstrauen zwischen den verschiedenen Gruppen im Irak. Zweieinhalb Jahre nach dem Einmarsch der USA ist nicht abzusehen, wie es zu einer Versöhnung oder wenigstens zu einem Ende der Gewalt kommen kann.

Reuters
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