Die israelische Armee hat am Samstag ihre Angriffe auf die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen fortgesetzt. "Wir beschießen zur Zeit militärische Ziele der Hamas im gesamten Gazastreifen", erklärte der israelische Armee-Sprecher Jonathan Conricus am frühen Samstagmorgen. Nach Angaben der Hamas wurden seit Wiederaufnahme der Kämpfe am Freitag 240 Menschen im Gazastreifen getötet. Die israelische Armee war einem Bericht zufolge auch im Westjordanland im Einsatz.
Am Freitagmorgen war eine siebentägige Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ausgelaufen, die für die Freilassung von Geiseln der Hamas sowie für Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen genutzt worden war. Beide Seiten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich, dass die Feuerpause nicht verlängert wurde. Nach Angaben von US-Außenminister Antony Blinken arbeiten die Vereinigten Staaten, Ägypten und Katar daran, eine erneute Feuerpause zu vermitteln.
Wegen des erneuten Beschusses stiegen über dem Gazastreifen graue Rauchwolken auf. Nach Angaben des von der Hamas geführten Gesundheitsministeriums, die sich unabhängig nicht überprüfen lassen, wurden seit Wiederaufnahme der Kämpfe im Gazastreifen 240 Menschen getötet. 650 weitere Menschen seien bei den israelischen Angriffen verletzt worden. Die Armee habe insbesondere die Stadt Chan Junis im Süden des Küstengebiets ins Visier genommen. Dort seien "dutzende Häuser mit ihren Bewohnern darin zerstört" worden.

Israels Armee: Erneut Geschosse aus dem Libanon abgefeuert
Israel ist nach eigenen Angaben erneut aus dem nördlichen Nachbarland Libanon beschossen worden. Die israelische Armee gab am Samstagmorgen bekannt, dass die eigene Artillerie in Reaktion darauf das Gebiet angegriffen habe, von wo aus die Geschosse Richtung Israel abgefeuert worden seien. Ein israelisches Kampfflugzeug habe das Ziel im Libanon getroffen, hieß es. Zu möglichen Opfern gab es keine Angaben. Erst am Vortag hatte es an der Grenze zwischen den beiden Ländern wieder Gefechte gegeben.
Die vom Iran unterstütze Hisbollah-Miliz griff dabei nach eigenen Angaben mehrfach israelische Stellungen nahe der Grenze an. Bei einem Gegenangriff Israels wurden nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen ein Hisbollah-Mitglied sowie dessen Mutter getötet. Das israelische Militär hatte mitgeteilt, eine "Terrorzelle" im Libanon angegriffen zu haben. Seit Beginn des Gaza-Kriegs kam es auch an Israels Nordgrenze immer wieder zu Angriffen mit Toten.
Nach dem Inkrafttreten der Feuerpause zwischen Israel und der islamistischen Hamas im Gazastreifen herrschte auch an Israels Grenze zum Libanon eine angespannte Ruhe mit nur wenigen Zwischenfällen.
Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa führten israelische Soldaten am frühen Samstagmorgen auch mehrere Einsätze im besetzten Westjordanland aus.
Bericht: USA lieferten Israel bunkerbrechende Bomben
Die USA lieferten Israel für den Krieg einem Bericht zufolge 100 Bunkerbrecher-Bomben sowie weitere Zehntausende andere Waffen. Wie die US-Zeitung "Wall Street Journal" am Freitag (Ortszeit) unter Berufung auf US-Beamte berichtete, wurden Israel nach dem beispiellosen Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober allein 100 Bunkerbrecher-Bomben bereitgestellt. Die Lieferung von zusätzlichen Waffen und Munition, darunter etwa 15.000 Bomben sowie 57 000 Artilleriegeschosse, habe kurz nach dem Hamas-Angriff auf Israel begonnen und sei in den vergangenen Tagen fortgesetzt worden.
Israels Armee kämpft "so lange wie nötig"
Israels Armee hat sich nach Angaben eines Sprechers keine zeitliche Begrenzung für den Gaza-Krieg gesetzt. "Wir sind entschlossen, die Hamas so lange zu bekämpfen, wie es nötig ist", sagte der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus in der Nacht zum Samstag und fügte hinzu: "Wir haben keine andere Wahl". Conricus bekräftige abermals das Kriegsziel seines Landes, die Terrororganisation vollends zu vernichten, damit sie künftig keine Gefahr mehr für Israel darstelle.
Der Sprecher reagierte damit auf Medienberichte, wonach US-Außenminister Antony Blinken bei seinen jüngsten Gesprächen mit der israelischen Führung angeblich von drei Wochen gesprochen habe, die Israel habe, den Krieg wie im bisherigen Umfang fortzuführen. Er sei sich nicht sicher, ob Israel die internationale Unterstützung haben würde, um länger mit der Intensität wie vor der Feuerpause weiterzukämpfen, wurde Blinken in israelischen Medien wiedergegeben.
Leiche von Geisel geborgen
Israels Militär hat unterdessen nach eigenen Angaben die Leiche eines nach Gaza verschleppten Israelis geborgen. Sie sei vor kurzem entdeckt und zurück nach Israel gebracht worden, teilte die Armee am Freitagabend mit. Der Tote sei am Mittwoch identifiziert worden. Terroristen hatten den 27-Jährigen Medienberichten zufolge am 7. Oktober in den Gazastreifen entführt. Er hatte demnach mit Freunden das Supernova-Festival besucht.
Ein israelischer Militärsprecher bestätigte zudem den Tod von vier weiteren Geiseln der islamistischen Hamas. Medienberichten zufolge sollen sich die Leichen noch im Gazastreifen befinden. Das Militär bemühe sich weiterhin, mehr Informationen zum Zustand der restlichen im Gazastreifen verbliebenden Geiseln zu erhalten, sagte der Sprecher.
Israel geht von noch 137 Geiseln aus
Ein Sprecher der israelischen Regierung hatte zuvor mitgeteilt, dass noch 137 Geiseln im Gazastreifen festgehalten würden. Unklar war zunächst, ob die Toten dazu zählen. Er gab die Zahl am Freitagabend mit 136 an, darunter 17 Frauen und Kinder. Seit Beginn des Kriegs gegen die Hamas hatten die israelischen Bodentruppen bereits mehrere israelische Leichen aus dem Gazastreifen geborgen.
Am 7. Oktober waren hunderte Hamas-Kämpfer nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und etwa 240 Menschen als Geiseln verschleppt.
Israel bombardierte als Reaktion wochenlang massiv Ziele im Gazastreifen aus der Luft und vom Boden aus. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 15.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet, unter ihnen mehr als 6000 Kinder und Jugendliche.
Das UN-Kinderhilfswerk zeigte sich alarmiert über die neuen Gefechte. "Heute ist der Gazastreifen wieder der gefährlichste Ort der Welt für Kinder", erklärte Unicef-Chefin Catherine Russell am Samstag. Sie warnte davor, dass durch die Kämpfe jeden Tag "hunderte weitere Kinder getötet und verletzt" werden könnten.