Präsidentschaftskandidatur 2024 Ja, Joe Biden ist alt. Das größere Problem: Er ist alternativlos

US-Präsident Joe Biden
Am Ende einer zweiten Amtszeit wäre US-Präsident Joe Biden näher an der 90 als an der 80
© Susan Walsh / DPA
Er will es nochmal wissen: US-Präsident Joe Biden tritt für eine zweite Amtszeit an. Sein hohes Alter lässt viele Wähler zögern. Doch die Demokraten haben ein größeres Problem: Biden ist ihre einzige Option.

Joe Biden will den Job zu Ende bringen. 2020 hat er die USA vor Donald Trump gerettet. 2022 den Kongress vor "MAGA"-Republikanern bewahrt. 2024 will er das Weiße Hause gegen beide verteidigen. "Die Frage, vor der wir stehen, ist, ob wir in den kommenden Jahren mehr oder weniger Freiheiten, mehr Rechte oder weniger haben." Es ist die zentrale Botschaft, die der US-Präsident am Dienstag in einem rund dreiminütigen Video verkündet.

Die Ankündigung kommt auf den Tag genau vier Jahre nach dem Start seiner 2020-Kampagne. Die Symmetrie soll das Bild einer beständigen, kompetenten Führung im Oval Office zeichnen. Der Appell lautet, 'Seht her, was wir in vier Jahren alles erreicht haben.' Gleichzeitig ist es eine Warnung, dass der "Kampf um die Seele der Nation" noch nicht vorbei ist. 

Das Video spricht vieles an, was demokratische Wählerinnen und Wähler umtreibt: den Erhalt der Sozialversicherung, das Recht auf Abtreibung, den Schutz von Wahlrechten. Ein großes Fragezeichen lässt es jedoch offen: Bidens hohes Alter. Ob ein 80-Jähriger wirklich die beste Wahl als Präsidentschaftskandidat ist, ist eine legitime Frage. Doch das eigentliche Problem ist ein anderes: Die Demokraten haben keine Alternative.

Joe Biden hat die Demokraten zur Anti-Trump-Partei gemacht

Kein Wunder, dass der Präsident es nicht eilig hatte, seine Kampagne zu verkünden. Das unerwartet gute Abschneiden bei den Zwischenwahlen hat seine Konkurrenz verstummen lassen. Bedenken wegen seines hohen Alters und der schwachen Umfragewerte werden von führenden Parteimitgliedern mit Floskeln wie "Alter ist nur eine Zahl" und "Er hat schon einmal Geschichte geschrieben" beiseite gewischt. Die Einzigen, die ihn aktuell herausfordern wollen, sind die Selbsthilfebuchautorin Marianne Williamson und der Impfgegner Robert F. Kennedy Jr. – zwei klare Außenseiter.

Es ist seine über die Jahre perfektionierte Strategie sich als Bollwerk gegen Trump zu präsentieren, die Biden für die Demokraten unverzichtbar macht. Letztes Jahr wandelte er seine Anti-Trump-Botschaft zu einer Anti-MAGA-Warnung um. Mit Blick auf 2024 verändert der Präsident den Ton erneut. Im ganzen Land stünden "MAGA-Extremisten" Schlange, um grundlegende Freiheiten wegzunehmen", warnt er in seinem Video. Seine Attacken gegen die Republikaner tragen dieselbe Handschrift wie 2020: "Wir können nicht zulassen, dass das passiert."

Trump hat mit seiner Kandidaturverkündung im Herbst nicht nur das Schicksal der Republikaner besiegelt. Er hat die Demokraten geradewegs in die offenen Arme von "Uncle Joe" gestoßen. Für die Partei steht 2024 genauso viel auf dem Spiel wie vor vier Jahren. Für Biden sprechen die gleichen Argumente wie vor vier Jahren. Und dennoch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass eine Mehrheit der Amerikaner – gelinde gesagt – wenig begeistert auf weitere vier Jahre Biden blicken.

Alter ist nur eine Zahl – für einen Präsidenten ist sie trotzdem wichtig

Rund 70 Prozent sind laut einer aktuellen "NBC"-Umfrage der Ansicht, dass Biden nicht nochmal antreten sollte. Von seinen eigenen Demokraten will nur knapp die Hälfte den Präsident erneut auf dem Stimmzettel sehen. Das liegt nicht daran, dass sie finden, er hat einen schlechten Job gemacht. Viele loben seine politische Bilanz: Die 12,6 Millionen neugeschaffenen Arbeitsplätze. Die historischen Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und Gesundheitsversorgung. Die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Aggressor. Und nicht zu unterschätzen: die abflauende Inflation.

Doch viele – insbesondere jüngere – Demokraten befürchten, dass Biden auf lange Sicht zu alt sein wird, um effektiv vier weitere Jahre zu regieren. Mit 80 Jahren ist er bereits der älteste US-Präsident der Geschichte. Am Ende einer zweiten Amtszeit wäre Biden näher an der 90 als an der 80. Die Jüngeren wünschen sich eine Führung, die ihren demografischen Merkmalen entspricht und ihre Werte widerspiegelt. Jemanden, der auf der Höhe der Zeit ist – statt jemanden, der das Zeitliche bald segnen könnte.

Die Wahrheit ist, Menschen altern unterschiedlich schnell. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ein fortgeschrittenes Alter für einen Präsidentschaftskandidaten von Bedeutung ist. Biden selbst räumte erst neulich in einem Fernsehinterview ein, dass Bedenken hinsichtlich seines Alters "legitim" sind. Seine Standardantwort lautet: "Das Einzige, was ich sagen kann, ist: 'Schaut mir zu'". Die Beobachtungen geben ein gemischtes Bild ab: Mal einen Präsidenten, der im Kongress eine kraftstrotzende Rede zur Lage der Nation schwingt. Mal einen, der über seine Worte und die Treppe der Air Force One stolpert.

Fest steht, Bidens Alter birgt im Wahlkampf ein Risiko. Was der Partei jedoch ernsthafte Sorgen bereiten sollte, ist die Tatsache, dass es keine anderen Optionen gibt.

Ein Rezept, das funktioniert, solange der Gegner Trump heißt

Im Wahlkampf 2020 versprach Biden, er wolle eine Brücke zur nächsten Generation von Demokraten bauen. "Sie sind die Zukunft unseres Landes", sagte er in Richtung Kamala Harris, Cory Booker und Gretchen Whitmer, mit denen er gemeinsam auf der Bühne stand. Hatte damals noch so manch ein Demokrat auf einen nahtlosen Machtübergang von Biden zu Harris gehofft, ist die Vizepräsidentin – auch qua ihres Amtes – blass geblieben. Jüngere Rivalen wie Pete Buttigieg hat der Präsident geschickt in seine Administration integriert und klein gehalten. Aufstrebende Gouverneure wie Gavin Newsom, Gretchen Whitmer und Josh Shapiro hält er auf Abstand.

Im Video für 2024 spricht Biden erneut von dem "Moment einer Generation". Doch solange das oberste Ziel heißt, Trump und seine "MAGA"-Republikaner aus dem Weißen Haus fernzuhalten, muss die Zukunft der Jüngeren warten.

Seine Strategie könnte durchaus aufgehen – sofern der republikanische Kandidat am Ende wirklich Trump heißt. Der 76-jährige hat eine Anklage wegen Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar am Hals. Und sollte es erneut zum Duell Biden gegen Trump kommen, fällt auch das Alter des Präsidenten nicht mehr groß ins Gewicht. Jemand wie Floridas 44-jähriger Gouverneur Ron DeSantis könnte Biden hingegen buchstäblich alt aussehen lassen.

Für den Fall, dass der Präsident 2024 die Chance bekommt den Job zu Ende zu bringen, sollte er seine Energie deshalb nicht nur als Bollwerk gegen Trumps Republikaner einsetzen. Wenn seine Demokraten auf der Höhe der Zeit bleiben wollen, sollte er ein altes Versprechen einlösen – und Brücken zur nächsten Generation bauen.