Am Dienstag der nächsten Woche wählt Kalifornien einen neuen Gouverneur. Arnold Schwarzenegger ist der prominenteste der 135 Kandidaten. Aber weder der schönste noch der verrückteste
Der Terminator wurde abgeführt. Er war zu laut, stänkerte rum und benahm sich nicht so, wie es der Moderator Jay Leno von seinen Gästen der "Late Night Show" erwartet. Der Terminator grölte, verlangte nach mehr Redezeit, und dann kamen die Sicherheitsleute und beförderten ihn an die frische Luft. Draußen vor dem Studiogelände zog sich Bill Wyatt die Terminator-Gummimaske vom Kopf und sprach: "Good show. Gut gelaufen."
Bill Wyatt, 42 Jahre, ist Gouverneurskandidat in Kalifornien. Und er hat ein Ziel: Schwarzenegger verhindern. "Recall Arnold", steht auf einem seiner T-Shirts. Wyatt ist hauptberuflicher T-Shirt-Bedrucker und an sich auch überzeugter Anhänger der Demokraten. Aber vor drei Monaten schrieb er sich bei den Republikanern ein, um sie auszuhöhlen. Wyatt sieht sich als eine Art Trojanisches Pferd. Erst nieder mit Arnie, danach mit Bush. Im kommenden Jahr möchte Wyatt den Präsidenten herausfordern: "Ich will das Übel bekämpfen, das sich über unser Land zieht."
Kalifornien ist ein verrücktes Land von 36 Millionen Einwohnern. Im November wählten sie den charismafreien Demo- und Technokraten Gray Davis ein zweites Mal zum Gouverneur. Und nun, das Gesetz macht es möglich, kann Davis wieder abgewählt werden und womöglich ein Neuer an die Macht kommen, weil ein zweitklassiger Politiker namens Ted Costa sich so sehr über Davis aufregte, dass er befand: Der Kerl muss weg.
Kalifornien, von der Wirtschaftskraft stärker als Frankreich, hat ein Haushaltsdefizit von 38 Milliarden Dollar angehäuft, aber Herrn Costa trieben die hohen Autosteuern im Golden State um. Rund 900000 Stimmen müssen für das Amtsenthebungsverfahren beigebracht werden, Costa sammelte und sammelte, und im Frühjahr sprang der stinkreiche republikanische Kongressabgeordnete Darrell Issa auf den Zug und heuerte ein Heer von Stimmenjägern an. Issa spendierte dafür 1,7 Millionen Dollar aus eigener Tasche, umgerechnet einen Dollar pro Unterschrift, und schwups: Am 7. Oktober wird gewählt. Die einen nennen das Basisdemokratie, die anderen Wahnsinn. In San Francisco jubilierte jedenfalls der italienische Generalkonsul: "Fast wie bei uns zu Hause."
Issa wäre im Übrigen selbst sehr gern Gouverneur geworden, verzichtete aber vor laufenden Kameras auf seine Kandidatur und weinte dabei. Er wird ja in Washington gebraucht und unterstützt nun Arnold. Arnold nennt Issa im Gegenzug einen "fantastic friend". Arnold hat überhaupt viele "fantastische Freunde". Und so langsam dämmert es den Kaliforniern, dass dieser Schwarzenegger tatsächlich gute Chancen hat. Mitunter nennt Schwarzenegger sich schon "Governor Arnold" und lacht ein Kukident-Lachen.
135 Namen stehen auf dem Wahlbogen, und die "New York Times" fragte belustigt: "Wer kandidiert eigentlich nicht?" Ein lokaler Sender zeichnete jüngst mit einigen von ihnen eine Spielshow auf - "Who wants to be the Governor of California?" Es ist ein bunter Haufen aus einer Hand voll Ernstzunehmender, vielen Protestlern, noch mehr Selbstdarstellern und offenkundig Verwirrten. Eine ist "Angelyne", ein Modell, das sich durch üppige Oberweite und sonst nichts auszeichnet. Wer mit Angelyne reden möchte, muss ihr drei Flaschen Chanel Bade-Gel, eine Pulle Schampus und einen Glücksbringer-Hasenfuß kaufen. Treck Thunder Kelly, Künstler, der ein Jahr lang nur blaue Klamotten trägt, versteht die Kandidatur als "Performance" und will Prostitution, Drogen und Glücksspiel auf der Stelle freigeben. Eine entfernte Kollegin von Arnold, die Pornodarstellerin Mary Carey, hat immerhin ein richtiges Programm: Steuern auf Brustimplantate, Web-Kameras im Gouverneurshaus, Pornos statt Pistolen - und die Legalisierung von Frettchen. Was Frau Carey lokalen Ruhm eingebrachte und ein volles Haus bei der Premiere ihres jüngsten Films "Club Carrie", einem konsequent monothematischen Werk, in dem ungefähr so viel geredet wird wie in Schwarzeneggers Klassiker "Conan der Barbar". Gerade mal 75 Wörter musste er dafür lernen.
Streng genommen hat sich seitdem gar nicht viel verändert. Arnold lernt immer noch auswendig und variiert stets ein und dieselbe Rede. Die geht zusammengefasst so: "Ich kam als junger Mann in das tollste Land der Welt, und Kalifornien ist das tollste Land der Welt im tollsten Land der Welt? Amerika hat mir so viel gegeben? Ich möchte Amerika etwas zurückgeben." Hernach spricht er über die miese Wirtschaftslage, ruft emphatisch "Steuern, Steuern, Steuern!" und verspricht prompte Linderung. Ein bisschen Umwelt dann, Erziehung anschließend und dass Schulklos funktionieren sollten. Wichtig auch: Indianer sollen für ihre Spielcasinos Steuern abdrücken, und Immigranten, illegale, dürfen auf gar keinen Fall einen Führerschein bekommen, weil: Gefahr, Gefahr. Der Immigrant könnte Terrorist sein. Was aus seinem Mund und mit dem harten austro-teutonischen Akzent besonders wonnig klingt. Gegen Ende ruft er "I'm not perfect!" und schließlich: "Wir brauchen einen starken Führer." Beifall, Händeschütteln. Dann verlässt die Führungskraft aus Österreich die Bühne. Das sagt Schwarzenegger überall. Er hat kein überzeugendes Programm, das Programm ist sein Name. Seine Gegner nennen ihn abfällig Schauspieler, und er nennt sie abfällig "you politicians".
Es ist Showtime. Gewiss, Arnold Schwarzenegger hat sich seit langem für Politik interessiert, Schulprogramme gefördert, seinen Milton Friedman studiert und den anderen auch - "Marx was wrong". Außerdem ist Zeit für was Neues. Deshalb schon, weil mit 56 die Muskeln nicht mehr so Conan-barbarisch aussehen und es mit Shakespeare-Rollen wohl auch nix wird. Auf seinem Lebensplan steht Gouverneur.
In Sacramento lässt er sich vorige Woche auf eine Fernsehdebatte mit seinen vier wichtigsten politischen Gegenspielern ein. Es ist das erste und einzige Mal, dass er sich mit denen an einen Tisch begibt. Und er wird tagelang von Politprofis darauf vorbereitet. Seit drei Jahren beschäftigt Schwarzenegger George Gorton, einen Beratungssöldner, der 1996 in Russland Boris Jelzin zur Wiederwahl verhalf. Der Multimilliardär und Demokrat Warren E. Buffett unterstützt ihn, der ehemalige Außenminister George Shultz ebenso, und einer seiner Redenschreiber, Landon Parvin, schrieb schon für Ronald Reagan und freut sich, wie doll der Arnold redet "und seine Persönlichkeit einbringt". In der Abendsonne von Sacramento steht Leonard Padilla auf dem Uni-Campus und wartet mit Hunderten von Arnie-Fans und Arnie-Gegnern auf die Kandidaten. Padilla ist selbst einer. Er trägt von Berufs wegen eine goldene 357-er Magnum unterm Revers. Padilla, 64 Jahre, ist Kopfgeldjäger, hat in 28 Jahren 4000 Gangster gejagt und gefasst, saß im Knast und hält sich für polit-prädestiniert. Er sagt: "Ich weiß immerhin, wie das richtige Leben funktioniert. Weiß Arnold das auch?"
Arnold weiß zumindest, wie er Punkte macht. Die TV-Debatte verläuft wie erwartet inhaltsarm, aber unterhaltsam, und Schwarzenegger verliert nicht an Boden. Später spricht er vor der Presse von einer "wunderbaren Erfahrung", fährt danach in eine nahegelegene Ausstellungshalle, lächelt das Kukident-Lächeln, holt seine Gattin, die Kennedy-Nichte Maria Shriver auf die Bühne, recycelt sich wieder, "Wir brauchen einen starken Führer", und enthusiasmiert mit wenigen Worten die Menge. Am Ende dröhnt Rockmusik aus den Boxen, ein Protestlied von Twisted Sister aus den frühen achtziger Jahren: "We?re Not Gonna Take It Anymore", wir machen nicht länger mit.
Sein Clan denkt an die kleinsten Details. Und sein Clan kann sich erlauben, an alles zu denken: Schwarzenegger steckt einen zweistelligen Millionenbetrag in seine Mission und bestallt 80 feste Mitarbeiter. Obendrein muss man den Republikanern aber auch lassen, dass ihre PR-Maschine besser läuft als die der Demokraten. Schwarzenegger passt ihnen exakt ins Konzept. Er ist der Schlüssel zur Macht im demokratisch gesinnten Kalifornien. Wenn er gewinnt, müssen die Demokraten im kommenden Jahr vor den Präsidentschaftswahlen richtig Geld lassen im Golden State. Geld, das ihnen woanders fehlt. So hilft Arnold Mr. Bush. Am Tag nach der Fernsehdebatte tritt Schwarzenegger in Los Angeles auf und spricht vor ausgewähltem republikanischem Publikum mit dem republikanisch gewogenen Radiomoderator Sean Hannity. 70 Minuten lang gibt Hannity Arnold brav Stichworte, der leiert sein Programm runter, "Wir brauchen einen starken Führer." 400 Rundfunkstationen übertragen das landesweit, und abends wird die Show vom Republikaner-Kanal Fox News im Fernsehen zweitverwertet. Das ist ganze PR-Arbeit, und der dafür Zuständige, Sean Walsh, sitzt abends in Arnies Lokal "Schatzi on Main" in Santa Monica und referiert über Arnies Einzigartigkeit. Nicht wahr, der Arnold könne sich auf alles und jeden einstellen, egal ob "Fliesenleger, Papst oder Präsident".
Da muss was dran sein. Eigens aus Tokio einflogen kam der Kleindarsteller Takao Komine. Der fächelt draußen auf dem Bürgersteig in Santa Monica ein "Join Arnold"-Schild Richtung Straße, und immer, wenn ein Autofahrer hupt, ruft er "Hai". Takao kennt den Arnold persönlich. Er mimte in "Terminator 2" und "True Lies" für Sekunden einen Übelmann, den Arnie fachgerecht erledigen durfte. Am nächsten Tag sieht Schwarzenegger den Japaner in der ersten Reihe der Fans. Er freut sich, herzt ihn und lacht ein ehrliches Kukident-Lachen.
Falls es Arnold doch nicht schafft zum Gouverneur, kriegt Takao bestimmt wieder eine Gastrolle und wird vom Meister garantiert anständig gemeuchelt. Vielleicht bald schon. In Terminator 4.
Michael Streck