Zum Abschluss des Wahlkampfes in Großbritannien haben die Spitzenkandidaten der Parteien noch einmal alle Kräfte mobilisiert: Premierminister Gordon Brown, sein konservativer Herausforderer David Cameron und der Liberaldemokrat Nick Clegg warben am Mittwoch bei mehreren Auftritten um die Stimmen der unentschlossen Wähler. Umfragen zufolge zeichnete sich der knappste Ausgang einer britischen Parlamentswahl seit Jahrzehnten ab.
Brown rief der Menge im nordenglischen Bradford zu, er sei "entschlossen", seine seit 1997 regierende Labour-Partei an der Macht zu halten. Der in den Umfragen abgestürzte Premier warnte vor den Folgen einer konservativen Regierung, deren Sparpläne das Land zurück in die Rezession führen würden.
Cameron legte eine Nachtschicht ein und traf sich in besonders umkämpften Wahlkreisen im Norden Englands mit Fischern, Rettungshelfern und Schichtarbeitern. Nach Angaben seines Wahlkampfteams wollte der Tory-Kandidat damit dem Eindruck entgegen treten, er sehe sich bereits als Wahlsieger. "Ich habe niemals geglaubt, dass diese Wahl einfach wird", sagte Cameron dem Fernsehsender GMTV am frühen Morgen. "Die britische Bevölkerung überreicht die Regierungsverantwortung nicht auf einem Silbertablett."
Clegg mobilisierte seine Anhänger bei Auftritten in Eastbourne, Durham und Sheffield. Mit der Unterstützung für die Liberaldemokraten könnten die Wähler ein "abgekartetes Spiel" von Labour und Tories verhindern, sagte er.
Den Umfragen zufolge könnten die Konservativen bei dem Urnengang am Donnerstag zahlenmäßig die meisten Stimmen verbuchen. Allerdings zeigte eine Erhebung des Instituts ComRes für den Fernsehsender ITV und die Zeitung "The Independent" am Mittwoch, dass noch rund 40 Prozent der Wähler unentschlossen sind, bei welcher Partei sie das Kreuz machen werden.
Außerdem können die Tories womöglich in weniger Wahlkreisen mit einem Sieg rechnen als die Labour-Partei mit ihrer geografisch weiter gestreuten Anhängerschaft. Entscheidend ist aber die Zahl der eroberten Wahlkreise, da nach dem Mehrheitswahlrecht ausschlaggebend ist, welcher Kandidat für einen Bezirk in das Parlament einzieht.
Insgesamt 650 Sitze sind im House of Commons zu vergeben, 326 sind für die Regierungsbildung nötig. Zuletzt entstand 1974 nach Parlamentswahlen ein sogenanntes "hung parliament" - eine parlamentarische Hängepartie, bei der keine Partei die nötige Mehrheit an Sitzen hat. Sollte sich diese Konstellation nun wiederholen, würde die Initiative zur Regierungsbildung laut britischem Wahlrecht beim amtierenden Premierminister Brown liegen. Zum Königsmacher könnten die Liberaldemokraten werden, die dank des starken Auftritts von Parteichef Clegg in den TV-Debatten in vielen Umfragen bei den Wählerstimmen mit Labour gleichauf lagen.
Brown wies die Forderungen einiger Parteifreunde zurück, in Wahlkreisen, in denen Labour keine Chance hat, zur Wahl der Liberaldemokraten aufzurufen, um eine Regierungsmehrheit der Konservativen zu verhindern. "Ich will, dass jeder Labour-Wähler Labour wählt", sagte Brown der BBC. Im Interview mit der Zeitung "The Times" ließ er sich nicht auf Spekulationen über eine mögliche Koalition mit den Lib Dems ein. "Ich werde nicht darüber reden, was nach Donnerstag passiert", sagte er.