KRIEGSDROHUNG Aufmarschpläne gegen das »Terroristennest Georgien«

Russlands Präsident Wladimir Putin droht seinem Nachbarn Georgien mit militärischen Angriffen, falls dieser nicht gegen tschetschenische Rebellen vorgehe.

Der georgische Staatschef Eduard Schewardnadse verletzt und mit blutigem Gesicht - mit diesem brutalen Bild illustrierte die Moskauer Zeitung »Kommersant« am Donnerstag die Kriegsdrohung Russlands gegen das südliche Nachbarland. Falls Georgien der tschetschenischen Rebellen auf seinem Gebiet nicht bald Herr werde, wolle Russland »in Selbstverteidigung« militärisch angreifen, kündigte Präsident Wladimir Putin an.

Panik und Krisensitzungen

In Tiflis löste der Kreml-Chef damit Panik und Krisensitzungen der georgischen Führung bis spät in die Nacht aus. Schewardnadse war so geschockt, dass er nur wirr von einer »gewissen Krise in den bilateralen Beziehungen« redete.

USA können nicht von Irak-Angriff angehalten werden

Dabei sitzen die Adressaten von Putins Drohung nicht nur in Tiflis, sondern auch in New York oder Washington. »Russland tauscht den Irak gegen Georgien«, schrieb »Kommersant«. Der Kreml habe eingesehen, dass er die USA nicht von einem Militärschlag gegen den Irak abhalten könne. Deshalb versuche Russland, in der drohenden Niederlage für die eigene pro-irakische Politik wenigstens einen Minimalgewinn zu erzielen: freie Hand für ein Durchgreifen in Georgien. Im letzten Moment vor der erwarteten Ankündigung eines Krieges gegen den Irak durch US-Präsident George W. Bush auf der UN- Vollversammlung setzte Putin deshalb das Thema Georgien auf die Tagesordnung.

Rebellen im Flüchtlingslager

Die Geduld Russlands gegenüber dem Nachbarstaat südlich des Kaukasus war bereits in den letzten Tagen merklich gewichen. Als »Theater« kritisierten russische Militärs das Einrücken georgischer Polizisten in das Pankisi-Tal, in dem sich neben 7500 Flüchtlingen aus dem benachbarten Tschetschenien nach russischen Angaben auch mehrere hundert Rebellen aufhalten.

Die Georgier hätten mit den Partisanen vereinbart, das diese sich für die Zeit des Einsatzes mit ihren Waffen in den Bergen verstecken, berichtete die Kreml-treue Zeitung »Komsomolskaja Prawda«. Sie berief sich auf angebliche abgehörte Funkgespräche zwischen den Tschetschenen-Führern Uwajs Achmadadow und Mowladi Udugow.

El Kaida in Georgien?

Im Pankisi-Tal versteckt sich nach russischen Angaben auch Atschimes Gotschijajew, der mutmaßliche Drahtzieher der Bombenanschläge auf russische Wohnhäuser vom September 2000 mit mehr als 300 Toten. Begierig griff Moskau auch US-Zeitungsberichte auf, dass Unbekannte direkt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verdächtige Telefonate Richtung Pankisi getätigt hätten. Also verberge sich auch die Terrorgruppe El Kaida in der abgelegenen georgischen Region, lautete die Schlussfolgerung.

»Rückzugsgebiet für Banditen«

»Es gibt keinen Staat namens Georgien«, erklärte der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow nach Zeitungsberichten am Mittwoch im Parlament, »es gibt nur ein Rückzugsgebiet für Banditen.« Den von Putin angeforderten Einsatzplan versprach der Generalstab von unverzüglich zu erstellen. »Uns steht eine schlaflose Nacht bevor«, sagte ein Offizier der »Nesawissimaja Gaseta«.

Washington in der Zwickmühle

Putins Verstoß bringt Washington in eine Zwickmühle. Die USA hatten sich bemüht, die Truppen ihres alten Freundes Schewardnadse im Anti-Terror-Kampf zu schulen, damit Georgien das Problem im Pankisi- Tal selbst lösen kann. Will Bush aber freie Hand in Sachen Irak haben, könne er Russlands Aufmarschpläne gegen das »Terroristennest Georgien« nicht völlig ablehnen, kalkuliert Moskau.

Friedemann Kohler, dpa

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