Kritik an Ungarns Mediengesetz beim EU-Antrittsbesuch Genervter Orban gibt sich kämpferisch

Eigentlich sollte es an diesem Tag um Europa gehen. Doch im Mittelpunkt stand Ungarn. Und sein umstrittenes Mediengesetz. Bei seinem Antrittsbesuch im Europaparlament sah sich der ungarische Premier Viktor Orban mit Kritik von linken, liberalen und grünen EU-Politikern konfrontiert.

Viktor Orban hat zu seinem Antrittsbesuch im Europaparlament ganze Stapel einer grün eingebundenen Broschüre mitgebracht. Unter dem Titel "Strong Europe" wird auf 56 Seiten erläutert, was sich der ungarische Regierungschef alles für seine erste Präsidentschaft der Europäischen Union vorgenommen hat. Doch die vielen guten Vorsätze - von Krisenbewältigung über eine Strategie für die Integration der Roma und den besseren Schutz der Christen in der Welt - interessierten am Mittwoch nur wenige EU-Volksvertreter.

Das wurde Orban spätestens bei seiner Ankunft im Straßburger Plenarsaal klar. Mehrere Dutzend Abgeordnete der Grünen empfingen ihn mit hochgehaltenen leeren Blättern, auf denen das Wort "zensiert" stand. Viele von ihnen hatten sich den Mund mit Pflastern zugeklebt. Der Protest galt dem heftig umstrittenen neuen ungarischen Mediengesetz, das Zeitungen und Rundfunksender des Landes seit dem 1. Januar der Kontrolle eines "Medienrats" unterwirft. Ein Gremium, in dem ausschließlich Vertreter und Sympathisanten der rechts-konservativen Regierungspartei Fidesz vertreten seien, kritisierten vor allem Vertreter der Linken, Liberalen und Grünen. "Das geht nicht", betonte der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz (SPD).

Wie Schulz forderten mehrere Abgeordnete Orban auf, das Mediengesetz abzuschaffen - oder zumindest zu suspendieren, bis die angekündigte Überprüfung durch die EU-Kommission vorliege. Der Regierungschef reagierte auf den Hagel von Kritik ungewöhnlich agressiv. Er verwahre sich dagegen, dass Fragen der "ungarischen Innenpolitik" mit denen des EU-Vorsitzes seines Landes vermengt würden, konterte er. Sollte dies geschehen, werde er den "Kampf aufnehmen". Dies werde aber nicht Ungarn schaden, sondern der EU. Ungarn sei ein demokratischer Rechtsstaat und wer dies in Frage stelle, "beleidigt das ungarische Volk", sagte der 47-Jährige sichtlich genervt.

Immerhin bekräftigte Orban seine Bereitschaft, auf Kritik der EU-Kommission an dem fraglichen Gesetz einzugehen. Sollte die Brüsseler Behörde "nachweisliche Mängel" feststellen, würden diese korrigiert. Er freue sich schon auf die "Konsultationen" mit der Kommission. Gelegenheit dazu soll Orban schon in wenigen Tagen erhalten. Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigte an, die Brüsseler Behörde werde Ungarn noch vor Ende der Woche um eine "Klarstellung" bitten. Dabei gehe es um einige Punkte, die "problematisch" seien. Die Kommission erwarte von Ungarn eine Antwort, fügte er hinzu.

Im Europaparlament kann Orban zumindest auf eine gewisse Sympathie der Konservativen von der Europäischen Volkspartei (EVP) zählen, die ihm am Mittwoch freundlichen Applaus zollten. Der CDU-Abgeordnete Werner Langen wies die Kritik an dem ungarischen Mediengesetz als "unverständlich" zurück und lobte Orbans "sachlichen und konstruktiven Stil". Der Grüne Daniel Cohn-Bendit ist da ganz anderer Meinung. "Sie haben uns eingeladen, mit Ihnen zu essen", sagte er an die Adresse des amtierenden Ratsvorsitzenden. "Aber mir ist der Appetit vergangen, ich komme nicht."

Bei der anschließenden Pressekonferenz gab sich Orban demonstrativ gelassen und selbstbewusst. Ungarn werde während seines EU-Vorsitzes "ständig kritisiert" werden, das sei ihm klar. Der eigentliche Grund dafür sei nicht das Mediengesetz, sondern die Zwei-Drittel-Mehrheit seiner Partei im Parlament. Sie sei den Linken in Europa ein Dorn im Auge. Die Kritik werde Ungarn aber nicht daran hindern, sein Programm für den sechsmonatigen EU-Vorsitz umzusetzen. "Nach diesen sechs Monaten wird die EU stärker sein." Die ungarische Ratspräsidentschaft werde "eine der erfolgreichsten" in der Geschichte der EU sein, verkündete er ohne falsche Bescheidenheit.

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Jutta Hartlieb, DPA