Berichte über einen libyschen Militärkonvoi, der im südlichen Nachbarland Niger eingetroffen sein soll, haben am Dienstag für Wirbel und Spekulationen gesorgt. Der Fernsehsender Al-Arabija hatte unter Berufung auf Militärquellen gemeldet, der Konvoi habe die Stadt Agadez in Niger erreicht. Arabische Sender spekulierten, dass der #link;untergetauchte Diktator Muammar al-Gaddafi# sein Land verlassen haben könnte. Auch von einem Goldschatz des Despoten war die Rede. Zugleich stiegen die Hoffnungen bei den Aufständischen auf eine friedliche Übernahme der Wüstenstadt Bani Walid, eine der letzten Hochburgen Gaddafis.
Diverse Medien stellten die Vermutung auf, dass Gaddafi mit dem Militär-Konvoi über Niger versuchen könnte, das südwestliche Nachbarland Burkina Faso zu erreichen, das ihm Asyl angeboten hatte. Die Berichte überkreuzten sich allerdings mit anderen Meldungen aus der Nacht zum Dienstag, wonach sich Gaddafi noch in Libyen aufhalten soll. Spekuliert wurde auch, dass mit dem Konvoi möglicherweise Geld und Gold Gaddafis außer Landes gebracht wurden.
Der US-Regierung lagen nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse über eine Flucht Gaddafis nach Niger vor. "Wir haben keine Beweise, dass Gaddafi zur Zeit irgendwo anders ist als in Libyen", sagte die Sprecherin des US-Außenministerium, Victoria Nuland, in Washington. Regierungsoffizielle in Niger hätten dem US-Botschafter aber berichtet, dass einige Dutzend Gaddafi-Getreue ins Land gekommen seien.
Die USA riefen die Behörden in Niger auf, die Mitglieder des Gaddafi-Regimes festzunehmen, da sie vielleicht der Strafverfolgung unterlägen. Dies solle spätestens geschehen, wenn der Konvoi die Hauptstadt des Landes erreiche. Sollten sie Eigentum des libyschen Staates bei sich haben, sollte es konfisziert werden, "damit es dem Libyschen Volk zurückgegeben werden kann", sagte Nuland.
Unterdessen scheinen die Rebellen einen wichtigen Schritt zu einer möglichen friedlichen Übernahme der Wüstenstadt Bani Walid gemacht zu haben. Stammesdelegationen aus der Gaddafi-Hochburg trafen sich am Dienstag rund 50 Kilometer vor der Stadt in einer Moschee mit Vertretern des libyschen Übergangsrates. "Wir sind einer Einigung sehr nahe", sagte anschließend Abdullah Kenschil, der Verhandlungsführer des Übergangsrates, der Nachrichtenagentur dpa. Aus der Stammesdelegation hieß es, fast 90 Prozent der Einwohner Bani Walids seien für eine friedliche Lösung.
"Die Stammesführer kehren mit unseren Forderungen zurück, und wenn sie grünes Licht geben, können wir ohne bewaffneten Konflikt in die Stadt einrücken", sagte Kenschil. In Bani Walid halten sich noch rund hundert schwer bewaffnete Gaddafi-Kämpfer auf. Sie sollen nun dazu bewogen werden, ihre Waffen niederzulegen. Bei dem Treffen mit Stammesführern, das live bei Al-Dschasira übertragen wurde, versicherte ein Aufständischer, man wolle in Bani Walid keine Rache nehmen oder die Leute schlecht behandeln. "Wir kommen mit unseren Waffen, um jeden abzuschrecken, der gegen uns kämpfen will, aber wir haben nicht die Absicht zu kämpfen."
Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, hatten die Rebellen den Gaddafi-treuen Kämpfern in Bani Walid eine Frist zur Kapitulation bis Samstag eingeräumt. Um den Druck auf die Gaddafi-Loyalisten zu erhöhen, hatte der Übergangsrat Hunderte Kämpfer vor Bani Walid zusammengezogen. Die Stadt liegt rund 150 Kilometer südöstlich von Tripolis. Berichten zufolge sollen Gaddafis Söhne Saif al-Islam und Mutassim eine friedliche Lösung in Bani Walid verhindert haben, ehe sie vor ein paar Tagen aus der Stadt abgezogen seien.