Kehrtwende bei Steuerplänen Premierministerin Truss feuert ihren Finanzminister – lehnt jedoch eigenen Rücktritt ab

"Wir werden diesen Sturm überwinden", beschwört die britische Premierministerin Liz Truss
"Wir werden diesen Sturm überwinden", beschwört die britische Premierministerin Liz Truss
© Daniel Leal / Getty Images
Seit Wochen steht die britische Regierung wegen ihrer Steuerpläne in der Kritik. Nun hat Premierministerin Liz Truss ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng entlassen. Einen eigenen Rücktritt lehnt sie – trotz massivem Gegenwind – jedoch ab.

Mit Finanzminister Kwasi Kwarteng als Sündenbock versucht die schwer unter Druck geratene britische Premierministerin Liz Truss, ihre politische Karriere zu retten. Die Regierungschefin feuerte den Schatzkanzler nach nur 38 Tagen, wie Kwarteng am Freitag bestätigte. Den Posten des Finanzministers soll nun der frühere Außen- und Gesundheitsminister Jeremy Hunt übernehmen.

Der Sender Sky News zitierte ein früheres Kabinettsmitglied der Konservativen mit der Forderung, Truss müsse ebenfalls gehen. "Sie ist genauso schuldig wie Kwasi Kwarteng", sagte der Tory. Dass Truss ihren Schatzkanzler opfere, reiche nicht aus.

Die Regierungschefin hingegen lehnt es ab, selbst zurückzutreten. Sie habe entschieden gehandelt und damit sichergestellt, dass das Land eine finanzielle Stabilität besitze. Truss sagte, sie werde immer im nationalen Interesse agieren. "Wir werden diesen Sturm überwinden." Die Premierministerin beharrte darauf, dass ihre Politik niedrigerer Steuern und hoher Investitionsanreize richtig sei. Lediglich der Markt, den die Entscheidungen, die Steuern deutlich zu senken, irritiert hätten, sei der Grund, warum sie eine Kehrtwende einlege, sagte Truss. "Ich bin fest entschlossen, das zu halten, was ich versprochen habe."

Truss-Regierung lässt Steuerpläne nach massiver Kritik fallen

Truss gilt bereits als schwer beschädigt. Nach ihrem jüngsten Auftritt im Unterhaus und in einer anschließenden Fraktionsrunde am Mittwoch äußerten konservative Abgeordnete heftige Kritik. "Die Stimmung ist furchtbar, so schlimm wie in den letzten Tagen von (Premier Boris) Johnson", kommentierte die Reporterin Beth Rigby vom Sender Sky News. In Umfragen führt die oppositionelle Labour-Partei teils mit mehr als 30 Punkten Vorsprung. Wie das Meinungsforschungsinstitut Ipsos ermittelte, sind nur 16 Prozent der Briten mit Truss zufrieden – das sei der schlechteste Wert, der je für einen Premier gemessen worden sei.

Im Raum steht nach "Times"-Informationen, dass führende Tories ein Führungs-Tandem aus den Spitzenpolitikern Rishi Sunak und Penny Mordaunt unterstützen, die Truss im Sommer im internen Ringen um den Parteivorsitz unterlegen waren. Der frühere Chef der Konservativen, William Hague, nannte die Lage "beispiellos". Die Autorität von Truss sei offensichtlich beschädigt, sagte Hague der BBC. Der einzige Ausweg sei, die Budgetpläne zurückzunehmen.

Die Regierungspläne für weitreichende Steuersenkungen, die mit neuen Schulden in Höhe von Dutzenden Milliarden Pfund gegenfinanziert werden sollen, hatten erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst und die Zentralbank zum Eingreifen gezwungen. Ein Anleihenkaufprogramm der Bank of England im Wert von 65 Milliarden Pfund sollte am Freitag auslaufen. Wegen der massiven Kritik hatten Truss und Kwarteng die geplante Streichung des Spitzensteuersatzes wieder zurückgenommen.

Labour führt in Großbritannien mit mehr als 30 Punkten

Die Wirtschaftszeitschrift "Economist" kommentierte kürzlich, Truss habe "ihre eigene Regierung mit einem Paket aus ungedeckten Steuersenkungen und Energiepreisgarantien" gesprengt. "Nimmt man die zehn Tage der Trauer nach dem Tod von Königin Elizabeth II. weg, hatte sie sieben Tage die Kontrolle. Das entspricht in etwa der Haltbarkeit eines Salats", schrieb das Blatt.

Kabinettsmitglieder hatten noch am Freitagvormittag versichert, Regierungschefin und Finanzminister hätten die volle Unterstützung. Die frühere Kulturministerin Nadine Dorries, eine Unterstützerin von Truss, kritisierte deren interne Gegner scharf. "Es ist nicht nur eine Verschwörung, um die Premierministerin zu entfernen, sondern um die Demokratie zu stürzen", twitterte die Vertraute von Ex-Premier Johnson. Dorries hatte kürzlich noch kritisiert, die Wirtschaftspläne von Truss stimmten nicht mit den Wahlversprechen der Tories überein.

Hinweis: Der Artikel wurde nach der Pressekonferenz der Premierministerin aktualisiert.

AFP
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