Die Bundesanwaltschaft soll mögliche rechtliche Konsequenzen wegen des von einem deutschen Oberst angeordneten Luftangriffs in Afghanistan prüfen. Die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen gab das Verfahren am Freitag an die Justizbehörde in Karlsruhe ab. Die Generalstaatsanwaltschaft sieht demnach Anhaltspunkte dafür, dass es sich in Afghanistan um einen bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerstrafgesetzbuches handelt. In diesem Fall wäre die Bundesanwaltschaft für die weiteren Ermittlungen zuständig. Die sächsische Justizbehörde beruft sich bei ihrer Einschätzung vor allem auf einen Bericht der ISAF-Untersuchungskommission.
Bei dem vom deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Angriff in der Nähe des nordafghanischen Kundus waren Anfang September zahlreiche Menschen getötet worden, darunter auch Zivilisten. Laut NATO-Bericht gab es bei dem Angriff am 4. September zwischen 17 und 142 Tote und Verletzte. Oberst Klein hatte nach der Entführung von zwei Tanklastwagen den Luftangriff durch US-Flugzeuge angefordert. Er hatte dies damit begründet, dass ein Anschlag von radikal-islamischen Taliban auf den Bundeswehrstützpunkt mithilfe der Tanklastwagen zu befürchten gewesen sei.
Die sächsischen Ermittler hatten Vorprüfungen eingeleitet, um zu klären, ob ein Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren gegen den Oberst besteht. Die mögliche Schuldfrage sei mit in die Prüfungen einbezogen worden, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Wolfgang Klein. Zunächst gehe es aber um die grundsätzliche Frage, welches Recht zur Anwendung komme. Sollte auch die Bundesanwaltschaft dazu neigen, dass es sich in Afghanistan um einen bewaffneten Konflikt handele, dann müsste letztendlich untersucht werden, ob Oberst Klein sich an die Bestimmungen des Kriegsrechtes gehalten habe, sagte Oberstaatsanwalt Klein.
Laut Generalstaatsanwaltschaft würde die Feststellung eines bewaffneten Konflikts nicht nur zur Anwendung des Völkerstrafgesetzbuches führen, "sondern insgesamt zur Geltung der Regeln des humanitären Völkerrechts". "Damit wären völkerrechtliche Militäreinsätze im Rahmen eines Mandats der Vereinten Nationen grundsätzlich gerechtfertigt", erklärte die Justizbehörde.