Alexander Lukaschenko, der Langzeit-Präsident von Belarus, ist einer, wenn nicht der engste Verbündete von Wladimir Putin. Als russische Truppen Ende Februar in die Ukraine einmarschiert sind, taten sie dies auch von belarussischem Territorium aus. 71 Tage dauert der Krieg in dem Nachbarland nun, eine Dauer, mit der offenbar auch Lukaschenko nicht gerechnet hat. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP sagte er jetzt: "Um ehrlich zu sein, dachte ich nicht, dass sich die Operation derart hinzieht. Ich bin mit dem Problem aber nicht genug vertraut, um zu sagen, ob alles nach Plan läuft, wie die Russen sagen."
Eroberung von Kiew abgebrochen
Mutmaßlich sollte die im Kreml als "Spezialoperation" genannte Invasion in kurzer Zeit beendet werden. Doch wegen zahlreicher Pannen, schlechter Vorbereitung und technischer Probleme musste etwa die Eroberung der Hauptstadt Kiew abgebrochen werden. Mittlerweile konzentrieren sich die russischen Angriffe auf den Süden und Osten des Landes, im letzteren jedoch kommen die Truppen nicht so voran wie von Moskau erhofft. Lukaschenko fordert in ungewöhnlich klaren Worten ein Ende der Kämpfe, die er, anders als Putin ganz deutlich einen "Krieg" nennt.
Die Lokführer der ukrainischen Bahn: Einsatz unter Bombenhagel

"Wir akzeptieren kategorisch keinen Krieg. Wir haben alles getan und tun alles, damit es keinen Krieg gibt", sagte er in dem Interview und behauptet, der Initiator für Verhandlungen gewesen zu sein. "Dank meiner Wenigkeit, also mir, haben Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland begonnen." Dennoch: "Weshalb ist die Ukraine, auf deren Territorium der Krieg tatsächlich stattfindet – Militäraktionen, Menschen sterben – warum ist die Ukraine nicht an diesen Verhandlungen interessiert?", fragte er. Bislang verlaufen die regelmäßigen Treffen und Gespräche zwischen den Kriegsparteien schleppend.
Belarus wird zu Moskaus Vasallenstaat
Belarus ist zwar ein eigenständiger Staat, wird aber von Russland mehr und mehr vereinnahmt. Finanziell als auch militärisch. So dient Lukaschenkos Reich als Rückzugsgebiet und Logistikbasis für den Militäreinsatz in der Ukraine. Konservative und rechte Kreise in Russland betrachten den Nachbarn, wie auch die Ukraine, als Art russisches Kernland. Zuletzt gab es in der "letzten Diktatur Europas" allerdings auch Sabotageakte gegen Bahnanlagen, mutmaßlich aus Protest gegen die Komplizenschaft mit Russland.
Staatschef Lukaschenko hat sich auch über die Atombombe geäußert und das mit einem interessanten Dreh: "Der Einsatz von Nuklearwaffen ist inakzeptabel. Weil er in unserer Nähe wäre. Wir sind hier. Wir befinden uns nicht hinter einem Ozean wie die USA, auch deswegen ist er inakzeptabel." Ob das im Umkehrschluss bedeutet, dass er nichts gegen den Abwurf von Kernwaffen hätte, solange das nur weit weg von Belarus geschehe, blieb unklar.
Was die Rollenverteilung in diesem Krieg betrifft, liegt Lukaschenko voll auf der Linie Moskaus: Schuld an der "Sonderoperation" seien die Ukraine und die USA. Im März hatte er behauptet, die Ukraine habe Belarus angreifen wollen, doch der russische Angriff habe dies vereitelt. Beweise dafür legte er nicht vor. Jetzt sagte er, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sei ein Befehlsempfänger der Vereinigten Staaten.
Nur Biden könne den Ukraine-Krieg beenden
Obwohl Russland die Ukraine angegriffen hat, betrachtet der Minsker Regierungschef die Vereinigte Staaten als eigentlichen Kriegstreiber: US-Präsident Joe Biden sei der einzige, der den Krieg beenden könne. Wenn Biden es wolle, könne "alles innerhalb einer Woche aufhören", so Lukaschenko. "Die Vereinigten Staaten wollen die Gunst der Stunde nutzen, ihre Verbündeten an sich binden und Russland im Krieg mit der Ukraine ertränken. Das ist ihr Ziel – Russland auszusortieren, und dann China." Nach seiner Logik läge es daher auch in der Verantwortung der USA und der Nato, dass der Konflikt nicht auf das westliche Militärbündnis überspringt. "Putin will ziemlich sicher keine Konfrontation mit der Nato." Es sei aber am Westen, dass dies ausbleibe. Ansonsten, und wenn Putin es nicht will, wird das Militär reagieren müssen.
Quellen: AP, DPA, AFP