Wäre das Terrornetzwerk El Kaida mit dem Tod Osama bin Ladens am Ende? Die amerikanischen Geheimdienste glauben das nicht und nennen die Namen von drei Männern, die an die Spitze der Organisation aufrücken könnten. Ayman el Sawahri, Abu Subajdah und Saif el Adil werden von den US-Truppen gesucht, ihre Aufenthaltsorte sind jedoch nicht bekannt.
Die lockere und informelle Struktur der El Kaida macht Prognosen zum Wechsel in der Führung schwierig, wie Mitglieder der US-Regierung und Terrorismusexperten erklärten. Offenbar gibt es innerhalb der El Kaida aber keine Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Flügeln, wie sie andere terroristische oder aufständische Gruppen in der Vergangenheit zerrieben haben. Wie für andere Organisationen gilt auch für die El Kaida: Im Fall des Todes des Anführers übernimmt sein Stellvertreter.
El Sawahri wahrscheinlichster Nachfolger
Damit rückt El Sawahri in den Blickpunkt des US-Geheimdienstes. Er gilt als wahrscheinlichster Nachfolger an der Spitze der El Kaida, sollte Bin Laden ums Leben kommen oder von den amerikanischen Streitkräften gefasst werden. »Sawahri hat sehr gute Qualifikationen«, erklärte der ehemalige CIA-Terrorismus-Experte Stan Bedlington. »Er ist gebildet, und er hat sich in der Welt des Terrorismus bereits bewiesen.« Der 50-jährige El Sawahri ist Chef des Ägyptischen Islamischen Dschihads, einer
Gruppe, die 1998 in der El Kaida aufging. Sie wird für zahlreiche terroristische Aktivitäten verantwortlich gemacht, darunter die Ermordung des damaligen ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat in den frühen 80er Jahren. El Sawahri wurde auf mehreren Videobändern in der Nähe von Bin Laden gesehen. Seine Familie kam bei Bombenangriffen der US-Streitkräfte ums Leben.
»Sie bestimmen, er führt aus«
Wie Bin Laden wählt Sawahri Ziele für terroristische Angriffe aus, ist aber in deren Ausführung nicht direkt verwickelt. Diese Aufgabe fällt Subajdah zu, nach Ansicht der US-Regierung ein weiterer Kandidat für die Nachfolge an der Spitze der El Kaida. »Sie bestimmen, er führt aus«, beschrieb ein Regierungsvertreter die Beziehung zwischen Bin Laden, Sawahri und Subajdah. Die beiden Anführer forderten ein Attentat auf eine US-Botschaft, Subajdah wähle dann die Botschaft, die Zelle und die Mittel aus.
Nach Ansicht der amerikanischen Behörden war Subajdah an den Anschlägen auf US-Botschaften in Ostafrika 1998 ebenso beteiligt wie an dem Attentat auf das US-Kriegsschiff »Cole« 2000 in Jemen und an den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Er wurde auch in Verbindung gebracht mit verhinderten Anschlägen auf die US-Botschaft in Paris, auf Touristenziele in Jordanien und auf den Flughafen von Los Angeles.
Subajdah wichtigster Kontaktmann der El Kaida
Subajdah, der palästinensischer oder saudiarabischer Herkunft ist, gilt als wichtigster Kontakt- und Verbindungsmann der El Kaida. »Er ist derjenige, der fast alle Führer der terroristischen Zellen persönlich kennt«, sagte der ehemalige Leiter der CIA-Abteilung für Terrorismusbekämpfung, Vince Cannistraro. Der amerikanische Geheimdienst hatte Subajdah 1998 in Peshawar in Pakistan ausgemacht, seine Spur aber später verloren. Cannistraro sagte, er sei nach den Botschaftsanschlägen wahrscheinlich nach Afghanistan geflüchtet.
Wegen seiner guten Kontakt innerhalb der El Kaida sei Subajdah eine wichtige Quelle, sollte er gefasst werden, verlautete aus US-Regierungskreisen. Sein Verlust wäre für die Organisation ein schwerer Schlag, der die Planung weiterer Anschläge behindern würde. Subajdah steht dennoch nicht auf der Liste der 22 meistgesuchten Terroristen der US-Bundespolizei FBI. Die Namen Sawahri und el Adil finden sich dagegen auf der Liste; die Männer werden in Zusammenhang mit den Botschaftsanschlägen gesucht. Adil gilt als Bin Ladens persönlicher Sicherheitschef. Er übernahm viele Aufgaben von Mohammad Atef, der im November bei US-Bombenanschlägen in der Nähe von Kabul getötet wurde. Atef galt als Bin Ladens Militärchef und weiterer möglicher Nachfolger des mutmaßlichen Terroristenführers.