Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan eingetroffen – trotz Drohungen aus China

Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses
Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhauses
© J. Scott Applewhite/AP / DPA
Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhausse, Nancy Pelosi, ist zu einem Besuch in Taiwan eingetroffen. Die Spitzenpolitikerin setzt sich damit über Warnungen aus China hinweg. Peking reagiert erbost.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ist zu einem Besuch in Taiwan eingetroffen. Ihr Flugzeug landete am Dienstagabend (Ortszeit) in der Hauptstadt Taipeh. Die Spitzenpolitikerin setzte sich damit über Warnungen aus China hinweg, das die demokratische Insel als Teil der Volksrepublik ansieht. Als Reaktion hat Peking mit "gezielten militärischen Aktionen" gedroht. "Die chinesische Volksbefreiungsarmee ist in hohem Alarmzustand und wird mit einer Serie gezielter militärischer Aktionen antworten", erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Peking nur kurz nach Pelosis Ankunft.

Ungeachtet der Spannungen mit China wird der Besuch in Taiwan selbst weitgehend begrüßt. Der Aufenthalt der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses ist für die demokratische Inselrepublik der ranghöchste Besuch aus den Vereinigten Staaten seit einem Vierteljahrhundert. Schon im Vorfeld hatten sich die Spannungen mit China verschärft. Peking sieht Taiwan als Teil der Volksrepublik an. Offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh lehnt es entschieden ab.

Nach ihrer Landung hat Pelosi Taiwan die weitere Unterstützung der USA zugesichert. Ihr Besuch unterstreiche das "unerschütterliche Engagement der USA für die Unterstützung der lebendigen Demokratie in Taiwan", teilte Pelosi am Dienstagabend mit. "Amerikas Solidarität mit den 23 Millionen Menschen in Taiwan ist heute wichtiger denn je, da die Welt vor der Wahl zwischen Autokratie und Demokratie steht." 

Taiwanesische Parlamentarier heißen Nancy Pelosi willkommen

Parteiübergreifend hießen taiwanische Parlamentarier die 82-jährige willkommen. Der oppositionelle Abgeordnete Chen Yi-hsin von der Kuomintang äußerte die Hoffnung, das Peking nicht "überreagiert". Pelosi repräsentiere den Kongress und das Volk der USA, aber nicht US-Präsident Joe Biden, sagte er der Nachrichtenagentur CNA. So stelle ihr Besuch auch keine Änderung der "Ein-China-Politik" der USA dar, die Peking als einzige legitime Regierung Chinas anerkennen.

Der Abgeordnete der regierenden Fortschrittspartei (DPP), Wang Tingyu, erwartet, dass Peking zwar einige "störende Aktionen" unternehmen werde. Er rechne aber nicht mit einer Reaktion, die einen Konflikt mit den USA auslösen könnte. Der Generalsekretär der taiwanischen Menschenrechtsvereinigung, Shih Yi-hsiang, sieht in dem Besuch ein "Signal, dass wir Demokratie und Menschenrechte vertiefen und uns dem Autoritarismus der Kommunistischen Partei Chinas widersetzen sollten".

Pelosis Besuch im Rahmen einer Asien-Reise war bis kurz zuvor nicht offiziell bestätigt worden. Am Mittwoch will die 82-Jährige nun Präsidentin Tsai Ing-wen treffen. Auch waren Gespräche im Parlament geplant, wie ein Abgeordneter der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Der Besuch der Nummer Drei der USA – nach Präsident und Vizepräsidentin – gilt in Taiwan als willkommene Aufwertung. Zudem wird er als Rückschlag für Peking gewertet, das Taiwan international zu isolieren sucht.

China reagiert erbost – und kündigt Militärmanöver an

Als Reaktion auf Pelocis Besuch hat China Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten rund um die demokratische Inselrepublik angekündigt. Wie das Verteidigungsministerium in Peking laut Staatsfernsehen mitteilte, beginnen die Manöver bereits an diesem Dienstag und sollen bis Sonntag dauern.

Die Manöver dienten der "ernsten Abschreckung gegen die jüngste Eskalation durch negative Schritte der USA in der Taiwanfrage und eine ernste Warnung an die Unabhängigkeitskräfte, die eine Abspaltung wollen", sagte der Sprecher. Es gehe um die Abwehr "der Einmischung ausländischer Kräfte und separatistischer Versuche von Unabhängigkeitskräften in Taiwan".

Das Außenministerium in Peking sprach kurz nach Pelosis Landung von einem "sehr gefährlichen Spiel mit dem Feuer". China werde "alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die nationale Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen". Weiter hieß es: "Wer mit dem Feuer spielt, wird sich selbst verbrennen." 

Der Besuch sei eine "große politische Provokation", so das Außenministerium am Dienstag weiter. "Die US-Seite versucht, China über Taiwan zu kontrollieren und das Ein-China-Prinzip auszuhöhlen." Die Taiwan-Frage sei eine rein innere Angelegenheit Chinas, in die sich die USA nicht einmischen sollten. China betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik und lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh ab. Pelosis Besuch ist der ranghöchste aus den USA seit einem Vierteljahrhundert.

China erhöht Drohkulisse bereits im Vorfeld

Schon vor der Landung erhöhte Chinas Volksbefreiungsarmee die Drohkulisse mit Manövern, Schießübungen, dem Einsatz von Militärflugzeugen und Kriegsschiffen nahe Taiwan und sperrte Seegebiete. Unmittelbar zuvor berichtete das chinesische Staatsfernsehen, dass Kampfflieger vom Typ Su-35 den Meeresweg der Taiwanstraße überflogen. Wie viele es waren und welches Ziel sie hatten, wurde nicht mitgeteilt.

Als Reaktion auf die militärischen Muskelspiele hatte Taiwans Militär zuvor schon seine Kampfbereitschaft erhöht, wie die Nachrichtenagentur CNA berichtete. Es handele sich in dem zweistufigen Alarmsystem aber noch nicht um eine Einstufung für den "Ernstfall", sondern weiter um eine "normale Einsatzbereitschaft".

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte US-Präsident Joe Biden bereits in einem Telefonat am Donnerstag noch vor dem Besuch gewarnt: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen." Aus Sicht der chinesischen Führung gehört Taiwan zur Volksrepublik, obwohl es schon vor deren Gründung 1949 eigenständig regiert war. Die 23 Millionen Einwohner zählende Insel versteht sich auch schon lange als unabhängig. Chinas Präsident sieht es als seine "historische" Mission an, die "Vereinigung" zu erreichen und droht mit Eroberung.

Weißes Haus warnt Peking vor Eskalation

Chinas Außenamtssprecherin Hua Chunying warf den USA "Provokationen" vor und drohte mit "energischen und resoluten Maßnahmen". Die USA würden "einen Preis zahlen". Die Beziehungen zwischen China und den USA "stehen fast auf des Messers Schneide", schrieb die parteinahe Zeitung "Global Times". "Die Gegenmaßnahmen, die das Oberkommando für Pelosis möglichen Taiwan-Besuch vorsieht, müssen um ein Vielfaches rigoroser und umfassender sein, als man es sich vorstellen kann. Chinas Warnung an die USA ist kein leeres Gerede."

Das Weiße Haus warnte Peking vor einer Eskalation. "Es gibt keinen Grund für Peking, einen möglichen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in eine Krise oder einen Konflikt zu verwandeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Sicherheitsrats, John Kirby. Die USA würden sich nicht auf "Säbelrasseln" einlassen. "Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern."

Der Besuch ändert nach seinen Angaben auch "nichts" an der China-Politik der USA. So unterhalten die USA keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern betrachten Peking als legitimen Vertreter Chinas.

DPA
fs / yks