Konflikt zwischen USA und China Nancy Pelosi wird in Taiwan erwartet – warum ihr möglicher Besuch für Zündstoff sorgt

Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses
Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses
© SAUL LOEB / AFP
Trotz zahlreicher Warnungen hält US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi offenbar an ihren Taiwan-Reiseplänen fest. Die Inselrepublik gilt seit Jahrzehnten als Spannungspunkt zwischen Washington und Peking. Kommt es zur Eskalation?

Was bleibt festzuhalten? Das US-Militär hält das alles für keine gute Idee. Das Weiße Haus warnt vor einer Eskalation. China ist maximal verstimmt und lässt die Säbel rasseln. Und auch deutsche Politiker befürchten eine Eskalation, die "katastrophale Folgen" haben könnte. 

Aber eins nach dem anderen.

Nancy Pelosi, die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, ist am Wochenende mit einer Delegation in den Indopazifik aufgebrochen, um "Amerikas starkes und unerschütterliches Engagement für unsere Verbündeten und Freunde in der Region" zu bekräftigen, wie es in einer offiziellen Ankündigung heißt. Die Pläne sehen demnach Stopps in Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan vor. Für Unbehagen sorgt jedoch ein mögliches Reiseziel, das nicht auf der Liste steht: Taiwan.

Die Inselrepublik mit rund 23 Millionen Einwohnern liegt etwa 50 Kilometer östlich der chinesischen Küste, gilt seit Jahrzehnten als Spannungspunkt zwischen Washington und Peking – und ist Schauplatz einer diplomatischen Auseinandersetzung, die nun aus dem Ruder laufen könnte.

Auch Biden hält Pelosi-Reise für "keine gute Idee"

Schon im April kündigte China "starken Maßnahmen" an, sollte Pelosi die Inselrepublik besuchen. Damals wie heute wurde ihre mutmaßliche Visite weder von den USA, noch von Taiwan offiziell bestätigt, durch Medienberichte aber an die Öffentlichkeit getragen. Seinerzeit musste Pelosi ihre Asienreise wegen einer Infektion mit dem Coronavirus verschieben. Seitdem sind die Sorgen vor einer Eskalation, nicht zuletzt im Weißen Haus, eher gewachsen.

Angesprochen auf die Berichte über die mutmaßlichen Reisepläne von Pelosi, wonach sie im August nach Taiwan reisen könnte, zitierte US-Präsident Biden vor wenigen Wochen die Einschätzung seines Militärs, das den Besuch aktuell für "keine gute Idee" halte. Hinter den Kulissen werde daran gearbeitet, Pelosi von einem Taiwan-Besuch abzubringen, berichteten die "New York Times" und CNN unter Berufung auf informierte Kreise. Zu groß sei das Risiko einer Eskalation.

Dennoch hält die Spitzenpolitikerin offenbar an ihren Reiseplänen fest. Pelosi wird nach Angaben aus dem Parlament in Taipeh bereits an diesem Dienstag in der Inselrepublik erwartet (lesen Sie hier mehr dazu). Ein taiwanischer Abgeordneter bestätigte der Deutschen Presse-Agentur verschiedene Presseberichte, dass sie möglicherweise am Abend (Ortszeit) aus Malaysia kommend in Taipeh eintreffen werde. Am Mittwoch könnte es ein Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen geben.

Der Reiseplan ist nach US-Medienberichten allerdings in Bewegung, während das Pentagon alle Schritte der chinesischen Seite beobachte und "rund um die Uhr" daran arbeite, die Sicherheit Pelosis zu gewährleisten, wie es hieß. 

Die Ausgangslage ist angespannt: Die kommunistische Führung in Peking betrachtet das freiheitliche Taiwan als Teil der Volksrepublik und will es international isolieren. Hingegen sieht sich die Inselrepublik seit langem als unabhängig an. Der russische Einmarsch in der Ukraine hat Befürchtungen verstärkt, dass sich China die demokratische Inselrepublik auf ähnliche Weise gewaltsam einverleiben könnte. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping betrachtet es als seine Mission, die "Vereinigung" umzusetzen – und droht dabei auch mit dem Militär.

Die USA wiederum haben sich der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher vor allem Waffenlieferungen bedeutet. Allerdings ist Präsident Biden weiter gegangen als seine Vorgänger und hat es mehrmals als "Verpflichtung" der USA bezeichnet, Taiwan im Falle eines Angriffs durch China zu verteidigen.

China hält Manöver vor Taiwan ab – USA warnen vor Eskalation

Und so haben schon die Spekulationen über eine mögliche Taiwan-Reise der Spitzenpolitikern die Spannungen zuletzt deutlich verschärft. Chinas Führung empfindet Besuche ausländischer Politiker in Taiwan generell als Provokation – der von Pelosi wäre jedoch ein äußerst namhafter und von besonderem politischen Gewicht: Als Sprecherin des Repräsentantenhauses rangiert die 82-Jährige einzig hinter dem US-Präsidenten und dessen Vize. Es wäre somit der ranghöchste Besuch aus den USA seit Jahrzehnten.

Entsprechend deutlich wird China. Zuletzt reiste zwar eine ganze Reihe von Parlamentsdelegationen nach Taiwan, etwa aus den USA und der EU, doch beließ es Peking bei verbalen Mahnungen. Nun hielt Chinas Militär in der Nähe der Inselrepublik Manöver mit scharfer Munition ab, die Luftwaffe flog Patrouillen nahe Taiwan – beides soll Washington offensichtlich als Warnung verstehen. 

Auch verbal spitzt sich die Lage zu. Bei einem Telefonat mit US-Präsident Biden am Donnerstag warnte Staats- und Parteichef Xi Jinping seinen Amtskollegen: "Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen." Am Montag legte Außenamtssprecher Zhao Lijian nach: Pelosis Besuch wäre eine "krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten", die Volksbefreiungsarmee werde "nicht tatenlos zusehen", die chinesische Seite "sicher energische und entschiedene Maßnahmen ergreifen, um unsere Souveränität und territoriale Integrität zu schützen." 

In Chinas Staatsmedien wurden militärische Reaktionen diskutiert, die von einer Begleitung von Pelosis Flugzeugs durch Chinas Luftwaffe und Manövern sogar bis zur Einrichtung einer Flugverbotszone um Taiwan und Raketentests reichten. Die Beziehungen zwischen China und den USA "stehen fast auf des Messers Schneide", schrieb die parteinahe Zeitung "Global Times" auf Twitter. 

Das Weiße Haus warnte Peking nun vor einer Eskalation. "Es gibt keinen Grund für Peking, einen möglichen Besuch, der im Einklang mit der langjährigen US-Politik steht, in eine Krise oder einen Konflikt zu verwandeln", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Montag im Weißen Haus. Die USA würden sich nicht auf "Säbelrasseln" einlassen, sagte er. "Gleichzeitig lassen wir uns aber auch nicht einschüchtern."

Die Visite ändert nach seinen Angaben "nichts" an der China-Politik der USA. So unterhalten die USA keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern betrachten Peking als legitimen Vertreter Chinas. Allerdings ließ auch Kirby offen, ob die Visite stattfinden wird. Er betonte, es sei an Pelosi, einen möglichen Besuch zu bestätigen. 

USA wegen Taiwan in der Zwickmühle

Die US-Regierung bringt das in eine missliche Lage. Bläst Pelosi den mutmaßlichen Besuch in Taiwan ab, könnte die Absage als Einknicken vor Chinas Drohungen verstanden werden. Tritt sie den Besuch an, dürfte das die Spannungen mit Peking gefährlich verschärfen – und nicht zuletzt Präsident Biden, der vor einem Besuch gewarnt hatte, düpieren.

Schon jetzt hat die potenzielle Visite zu einer Kluft zwischen Pelosi – einer seit Jahrzehnten profilierten und lautstarken Kritikerin Chinas – und der Biden-Regierung geführt, die eine Eskalation mit der Supermacht fürchtet. Zumal immer mehr Demokraten und Republikaner der Spitzenpolitikerin den Rücken stärken, klare Kante zu zeigen und den Besuch anzutreten.

"Katastrophale Folgen" für deutsche Wirtschaft

In der Europäischen Union wird die Situation offenbar mit Sorge beobachtet, wie "Politico" berichtet, könnten aus Pekings "Worten schnell Taten" werden, wie ein Diplomat zitiert wurde. Angesichts der neuen Spannungen zwischen China und Taiwan haben deutsche Außenpolitiker vor einer Eskalation in dem Konflikt gewarnt.

Der Druck wachse derzeit, weil beim Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Herbst ein Strategiewechsel bevorstehen könnte, sagte etwa FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff zur "Rheinischen Post". "Sollte Chinas Präsident Xi Jinping einen Angriff auf Taiwan ins Auge fassen, müssten die USA entscheiden, ob sie eingreifen oder nicht. Käme es zu einem Angriff, hätte das katastrophale Folgen, auch für unsere Wirtschaft."

US-Politikerin: Pelosi beginnt Asien-Reise – China warnt sie vor Besuch in Taiwan
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Ein Drittel der weltweiten Halbleiterproduktion komme aus Taiwan, so Lambsdorff. "Bei uns wären nahezu alle Lieferketten in der Industrie betroffen, viele technische Produkte könnten nicht mehr hergestellt werden. Von der Waschmaschine bis zum Flugzeug." Er fügte hinzu: "Es ist in unserem ureigenen Interesse, dass es nicht zu einem parallelen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und zwischen China und Taiwan kommt."

Greift China wegen Russland-Konflikt früher an?

Halbleiter sind heute nahezu überall zu finden, etwa in Smartphones, Computern, Autos oder medizinischen Geräten. Ein Mangel hatte während der Corona-Pandemie zu Preissteigerungen und Lieferkettenproblemen in vielen Branchen geführt. Vor allem in Taiwan befinden sich große Fertigungskapazitäten. 

Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter äußerte sich in der "Rheinischen Post" besorgt. Er fürchte, dass ein chinesischer Angriff auf Taiwan deutlich früher kommen könnte als bisher angenommen. China schaue bereits sehr genau hin, wie der Westen mit Russland verfahre. "Die chinesische Staatsführung könnte einen strategischen Vorteil in einem früheren Angriff sehen, weil der Westen derzeit viele Kapazitäten im Russland-Konflikt bindet."

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel ist bereits am Montag, den 1. August 2022, erschienen. Der Text wurde entsprechend der aktuellen Entwicklungen aktualisiert. 

Mit Material der Nachrichtenagentur DPA