Obama vs. McCain Was Großbritannien über die US-Wahl denkt

Großbritanniens Ex-Premier Tony Blair hatte sich bedingungslos an die Seite von George W. Bush gestellt - als Chef der Arbeiterpartei. Nun bekommen die Konservativen Oberwasser und sie bevorzugen Barack Obama. Und mit ihnen die meisten Briten.

Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, der amerikanische Wahlkampf würde auch in Großbritannien geführt - so genau verfolgen hier die Zeitungen, das Fernsehen und die Radiostationen jede Neuigkeit im Wahlkampf. Jeder Auftritt des Sarah-Palin-Doubles bei "Saturday Night Life" wird ebenso ausführlich dokumentiert wie die aktuellste Umfrage auch im kleinsten US-Bundesstaat.

Nur hat sich in Großbritannien mehrheitlich schon längst für einen entschieden: Barack Obama. Und das in einem Land, das sich gerade nach über einem Jahrzehnt unter einer Labour-Regierung wieder den Konservativen zuzuwenden scheint. Die Partei der Tories hat acht Prozentpunkte Vorsprung in den Meinungsumfragen - und das trotz der Finanzkrise, die Labour-Premierminister Gordon Brown als Krisenmanager noch einmal leichten Aufwind gegeben hat.

Obama steht "für Wandel und Hoffnung"

Auch der beliebteste britische Konservative, der Londoner Bürgermeister Boris Johnson, will Barack Obama als neuen Präsidenten. Obama verkörpere "für alle sichtbar Wandel und Hoffnung in einer Zeit, in der Amerika beides dringend braucht", schreibt der für seine Strohhaare und unbekümmerten Reden bekannte Politiker, der seit Mai im Londoner Rathaus regiert. Wie gewohnt hielt er sich in seiner Kolumne im "Daily Telegraph" nicht mit Beschönigungen auf und nannte die Regierungszeit von Präsident George W. Bush unumwunden "katastrophal": "Demokratie und Kapitalismus sind die beiden starken Fundamente der amerikanischen Idee. Einen davon zu erschüttern, könnte als Missgeschick angesehen werden. Aber den Ruf von beiden zu Hause und im Ausland beschädigt zu haben - das ist eine ziemlich erstaunliche Leistung für einen amerikanischen Präsidenten."

Boris Johnson hat in seiner politischen Karriere bisher stets einen guten Sinn dafür gehabt, was in Großbritannien als Meinung des Volkes gelten kann. Und die Briten meinen vor allem eines: Es muss endlich Schluss sein mit Bush. Viele verstehen noch immer nicht, warum ihr früherer Premierminister Tony Blair ein so enges Verhältnis zu diesem Ex-Gouverneur aus Texas aufgebaut hatte. Diese seltsame Männerfreundschaft basierte anscheinend auf geteilten religiösen Werten. Und führte die britische Insel direkt in einen Krieg im Irak, gegen den noch kurz vor dem Einmarsch im Frühjahr 2003 Millionen in einer der größten Demonstrationen in der britischen Geschichte protestierten. Dass dieser Protest völlig ignoriert wurde, haben viele Briten weder Tony Blair noch den Amerikanern bis heute so recht verziehen.

Cornelia Fuchs ...

... ist stern-Korrespondentin in Großbritannien und lebt in London

Anti-Amerikanismus ist in Großbritannien vor allem in intellektuellen Kreisen nicht ungewöhnlich. Ein bisschen Herablassung ist meist dabei, vom ehemaligen Kolonialreich an die abtrünnige Provinz gerichtet. Die linksliberale Tageszeitung "Guardian", zum Beispiel, konnte es sich schon im Wahlkampf 2004 nicht verkneifen, einen Wahlkampfbus durch die USA zu schicken, um die Amerikaner fürs "richtige" Wahlverhalten "richtig" zu informieren. Zyniker sagen, diese gönnerhafte Geste habe dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry wichtige Wählerstimmen gekostet.

Und der "Guardian" tourt wieder durch die USA

Auch in diesem Jahr ist der "Guardian" wieder mit einem Bus unterwegs. Diesmal beobachten die Journalisten jedoch mehr, als das sie belehren. Auf der Webseite der Zeitung sind in kleinen Filmen evangelikale Prediger zu sehen, die ihre Gläubigen aufrufen, Obama zu verhindern. Und Sarah-Palin-Anhänger, die Obama als einen Sozialisten beschimpfen, weil er angeblich Steuern erhöhen will. In Großbritannien ist Amerika immer für ein bisschen Staunen über die so anderen Verhältnisse gut.

Laut einer BBC-Umfrage wollen 59 Prozent der Briten Obama als neuen Präsidenten, nur neun Prozent bevorzugen John McCain. Für die Berichterstattung zum 4. November schickt allein die BBC 175 Mitarbeiter über den Atlantik, für 150 Stunden Berichterstattung. Die Ära "Nach-Bush" hat in Großbritannien schon längst begonnen.