Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist auf Antrittsbesuch in China. Nach einer Visite eines deutschen Windturbinen-Unternehmens und einer Partnerschule in der Hafenstadt Tianjin stehen an diesem Freitag die zentralen politischen Gespräche in Peking auf dem Plan der Grünen-Politikerin. Angesichts der Rückendeckung Chinas für den Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine und der Spannungen mit Blick auf Taiwan gilt dies als der heikelste Teil ihres Besuches.
Zuletzt hatten zudem Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur China- und Taiwan-Politik im westlichen Lager für Wirbel gesorgt. Macron hatte nach einem Besuch in China mit Blick auf die USA gesagt, Europa dürfe in der Taiwan-Frage kein "Mitläufer" sein und nicht zum "Vasallen" werden.
So kommentiert die deutsche Presse Baerbocks Reise nach China:
"OM-Medien" (Vechta/Cloppenburg): "Annalena Baerbock reist unter denkbar schlechten Vorzeichen nach China. Die Grünen-Politikerin, die in Peking als Anti-China-Ministerin gilt, soll nun austarieren, ob China als Partner, Wettbewerber oder systematischer Rivale zu behandeln ist. Natürlich ohne die Rückendeckung einer geschlossenen Berliner-Ampelkoalition. Einigkeit, die Baerbock verkörpern könnte, besteht zurzeit höchstens darin, dass keiner ernsthaftes Interesse an einer wirtschaftlichen Entkopplung vom Reich der Mitte haben dürfte. Der Spielball liegt vornehmlich in Peking."
"Die Glocke" (Oelde): "Die Sorge des Westens um Chinas Drohgebärden gegen Taiwan, Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren, die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong – die Grünen-Politikerin wird all das vermutlich ansprechen. Ihre chinesischen Gesprächspartner dürften höflich zuhören - und dann wie immer darauf verweisen, dass es sich um innerchinesische Angelegenheiten handele. Doch thematisiert Baerbockdiese Probleme nicht, riskiert sie, die sich wiederholt China-kritisch geäußert hat, nicht nur ihre persönliche Glaubwürdigkeit. Sie spricht als Vertreterin der Bundesregierung immer auch ein Stück weit für die westliche, freiheitlich-demokratische Wertegemeinschaft."
"Nordbayerischer Kurier" (Bayreuth): "Es ist vernünftig, dass Baerbock Abhängigkeiten von China reduzieren will. Angesichts der ökonomischen Realitäten ist es aber auch ein sehr langwieriges Projekt. Das, worauf es bei Baerbocks China-Besuch ankommt, ist: reden, reden, reden - vor allem hinter verschlossenen Türen. Nur so kann es gelingen, China ein wenig von dem, was wir wollen, als das zu verkaufen, was es selbst will."
"Stuttgarter Zeitung": "Der Besuch in China ist für Außenministerin Annalena Baerbock alles andere als eine behagliche Angelegenheit. Die chinesische Führung hat einen genauen Blick auf Risse in der westlichen Welt. Dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gesagt hat, Europa solle in der Taiwan-Frage kein Vasall der USA sein, war ein Fest für Peking – und hat Unterschiede in Europa offengelegt. Dass Baerbock wegen manch undiplomatischer Töne einen schweren Stand bei Kanzler Olaf Scholz hat, erhöht ihr Gewicht in Peking nicht."
Russland und China – Stationen einer unheimlichen Freundschaft

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Baerbock muss deutlich machen, dass Macron nicht für Europa gesprochen hat. Es wäre gut, sie würde sich diesmal an Scholz orientieren. Sie muss deutlich machen, dass Taiwan den Europäern nicht egal sein kann. Ebenso muss sie auf Bemühungen Chinas drängen, Russland im Ukraine-Krieg zur Räson zu bringen. Und dabei den richtigen Ton treffen. Nichts wäre schlimmer, als China nach einem französischen noch einen neuen deutschen China-Kurs vorzuführen."
"Reutlinger General-Anzeiger": "Baerbock muss auf ihrer Reise also versuchen, die Wogen zu glätten, um der deutschen Wirtschaft in ihrer Abhängigkeit zu China nicht zu schaden. Gleichzeitig muss sie Stärke zeigen und klar machen, dass das Pochen auf westliche Werte nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Eine fast unmögliche Mission."