Hinter hohen Mauern Furcht vor Massenflucht: Ägypten baut offenbar Notfalllager für Palästinenser

Eine Familie flüchtet aus Rafah: In der Stadt im Süden Gazas hat sich die Hamas verschanzt – Israel bereitet eine Bodenoffensive vor.
Eine Familie flüchtet aus Rafah: In der Stadt im Süden Gazas hat sich die Hamas verschanzt – Israel bereitet eine Bodenoffensive vor.
© Xinhua / Imago Images
Israels geplante Militäroffensive in Rafah stößt international auf Kritik. Ägypten fürchtet eine Massenflucht von Palästinensern. Für den Fall plant es angeblich ein Auffanglager in der Wüste.

Ägypten soll aus Sorge vor einer Massenflucht aus dem Gazastreifen im Fall einer Bodenoffensive Israels in Rafah ein großes Auffanglager bauen. Das berichtet das "Wall Street Journal". In dem nahe der Grenze zum Gazastreifen gelegenen Lager könnten mehr als 100.000 Menschen in Zelten untergebracht werden, berichtet die Zeitung unter Berufung auf ägyptische Beamte und Sicherheitsanalysten. Das Lager in der Wüste Sinai sei umzäunt von hohen Betonmauern.

Seit Wochen versucht Ägypten, die Sicherheit entlang der Grenze zum Gazastreifen mit Soldaten, Zäunen und gepanzerten Fahrzeugen zu erhöhen, um zu verhindern, dass es zu einem Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die Halbinsel Sinai kommt. Das geplante Lager sei Teil eines Notfallplans für den Fall, dass einer großen Zahl Palästinensern eine solche Flucht gelingt.

1,3 Millionen Menschen halten sich an der Grenze zu Ägypten auf

Der Gouverneur der ägyptischen Region Nordsinai habe am Donnerstag erste Berichte über den Bau eines potenziellen Flüchtlingslagers für Palästinenser dementiert und erklärt, die Aktivitäten in dem Gebiet seien Teil einer Bestandsaufnahme der Häuser, die während Ägyptens vergangener Militärkampagne gegen die Extremisten des Islamischen Staates in dem Gebiet zerstört worden seien, hieß es. 

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dem Militär seines Landes kürzlich den Befehl erteilt, Pläne für eine Offensive in der an Ägypten grenzenden Stadt Rafah im Süden Gazas sowie für die Evakuierung der dortigen Zivilisten vorzulegen. Es gehe darum, die letzten Kampfeinheiten der Hamas zu zerschlagen. 

In Rafah halten sich nach UN-Angaben rund 1,3 Millionen Menschen auf. Die meisten flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs. Im Falle eines größeren Ansturms von Palästinensern aus Gaza würde Ägypten versuchen, die Zahl der Flüchtlinge im Idealfall auf etwa 50.000 bis 60.000 zu begrenzen, auch wenn das neue Wüstenlager mit einer Fläche von rund 20 Quadratkilometern mehr als 100.000 aufnehmen könnte, berichtet das "Wall Street Journal". Das entspricht der Einwohnerzahl von Cottbus. 

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Das geplante Lager sei weit von ägyptischen Siedlungen entfernt gelegen, hieß es. Eine große Anzahl von Zelten sei bereits dorthin gebracht worden, bislang aber nicht aufgebaut, zitierte die Zeitung ägyptische Beamte. 

Israels geplante Militäroffensive in Rafah stößt unterdessen auf wachsende Kritik. Ägypten soll laut "Wall Street Journal" sogar gedroht haben, den Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, sollte es zu einem Ansturm von Palästinensern aus Gaza über die Grenze kommen. Sollte sich Israel zu der Offensive entschließen, würde das Militär versuchen, die Zivilbevölkerung nach Norden – aus der Kampfzone heraus, aber innerhalb des Gazastreifens – zu verlagern, zitierte die Zeitung einen ranghohen Vertreter des israelischen Militärs

DPA
mkb