Reaktion auf Koalition Arme, arme Kanzlerin

Die Nachricht vom Abschluß der Koalitionsverhandlungen ist auch im Ausland angekommen. Das Echo auf die schwarz-roten Vorhaben ist verhalten bis mürrisch. Die Lady Thatchter an der Spree stecke "in widerwilliger Zweckehe."

Die große US-Politik schweigt. Zeitungen in den USA unterrichten ihre Leser teils nur mit Bildunterschrift über die politischen Ereignisse im fernen Deutschland.

"Die Frage ist, was wir jetzt tun um die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu einer Partnerschaft der Zukunft zu machen", sagte der Abteilungsleiter für Europa im US-Außenministerium, Daniel Fried, diese Woche in Berlin. "Wir freuen uns auf eine Partnerschaft mit einem Deutschland, dass nach außen orientiert ist", fügte er fast beschwörend hinzu. Ein Deutschland, das unter einem Berg von innenpolitischen Problemen vor allem Nabelschau betreibt, wäre den USA ein Gräuel.

Doch sehen US-Deutschlandexperten in der Koalitionsvereinbarung keinen entschlossenen Kampf gegen die Probleme Arbeitslosigkeit, Schulden, Wachstumsschwäche. "Die Koalition startet mit reichlich bescheidenen Ambitionen", meint William Drozdiak, Präsident des "American Council on Germany", der sich seit über 50 Jahren um transatlantischen Dialog bemüht. "Der wirtschaftspolitische Mischmasch, den die beiden unvereinbaren Partner ausgehandelt haben, wird die Probleme nur noch verschlimmern", schrieb das "Wall Street Journal". Von einer widerwilligen "Zweckehe" sprach "USA Today".

Deutsch-amerikanische Freundschaft nicht dramatisch besser

Eine große Renaissance der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach den frostigen Jahren zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und US- Präsident George W. Bush sehen die Amerikaner auch nicht.

"Die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden sich verbessern, aber nicht dramatisch", meint Gary Schmitt, Deutschland-Experte beim konservativen "American Enterprise"-Institut. Bush setze allerdings Hoffnungen in die designierte Kanzlerin Angela Merkel, deren persönlicher Geschichte es ihm angetan habe, meint Drozdiak. "Sie dürfte die Bedeutung von Freiheit besser verstehen als andere", habe der Präsident bereits hoffnungsvoll geäußert.

Eiserne Lady verschwunden

Ungläubiges Staunen auch an der Themse. "Wo ist bloß Deutschlands "Eiserne Lady" geblieben?", fragen sich viele im politischen London. Nachdem britische Analytiker die Koalitionsvereinbarung studiert hatten, stand für die meisten fest: Angela Merkel nahm im Koalitionsgerangel von vielem Abschied, was sie ihren Wählern erzählt hatte.

"Als Gegenleistung für ihre Wahl zur Kanzlerin hat sie ihre politische Seele verkauft", meinte die "Financial Times". Das Blatt reflektierte die Enttäuschung konservativer Wirtschaftskreise darüber, dass Merkel keine "Lady Thatchter an der Spree" ist. Dass sie die deutsche Wirtschaft, die einstige Konjunkturlokomotive Europas, wieder flott macht, glauben in London nicht mehr viele.

Steuerpläne stoßen auf Unverständnis

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die nun vereinbarten Steuererhöhungen. Für Jim O'Neill, Chefanalyst für Weltwirtschaft beim Investmentkonzern Goldman Sachs, benehmen sich die Berliner Koalitionäre, "als hätten sie noch nie ein Ökonomie-Lehrbuch gesehen, geschweige denn verstanden". Die "Merkel-Steuererhöhung", polterte der Wirtschaftsexperte Anatole Kaletsky in der konservativen "Times", "wird Deutschland für den Rest dieses Jahrzehnts zur Depression verurteilen".

Auch in der Außenpolitik schwant Deutschland-Beobachtern nicht viel Gutes. Tony Blairs Hoffnung, dass Berlin in der Europäischen Union mit London statt mit Paris an einem Strang zieht, habe sich in Luft aufgelöst. Der Koalitionsvertrag, konstatierte der linksliberale "Guardian", lege Merkel darauf fest, die EU-Subventionen für Frankreichs Landwirtschaft im noch ausstehenden Haushalt der Union für 2007 bis 2013 nicht anzutasten. Damit seien die Aussichten, dass Blair bis zum Ende seiner EU-Präsidentschaft am 31. Dezember einen Kompromiss zur Verabschiedung des Haushalts erreicht, "sehr düster".

Und selbst da, wo sich Merkel gegen die SPD durchgesetzt hat, sind Londoner Regierungskreisen nicht nur "happy". So missfalle sehr, dass die von Blair favorisierte EU-Mitgliedschaft der Türkei nun im offiziellen Berlin wieder als problematisch gesehen werde, erklärten Diplomaten. Als Trost gilt - wie der Sender BBC berichtete -, dass in Berlin "ein Ende des Anti-Amerikanismus" absehbar sei.