Großbritannien steht vor einem harten Winter. Die Inflation als Folge des Ukraine-Krieges stellt vor allem die ärmere Bevölkerung des Landes vor die Frage: heat or eat? Also: heizen oder essen?
Mit der Politik ist man auf der Insel unzufrieden: Eine Mehrheit von 65 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ist zudem der Meinung, dass der Brexit schlecht läuft. Und eine weitere Umfrage dürfte Premierminister Rishi Sunak die Suppe versalzen: 50 Prozent meinen, dass er seinen Job schlecht mache.
Da dürften Berichte ungelegen kommen, dass sich britische Parlamentsabgeordnete auf Arbeitsreisen im Ausland betrunken und Sexarbeitende in Anspruch genommen haben.
Interesse an "lokalen Frauen" und exzessiver Alkoholkonsum
So berichteten es das Magazin "Politico" und die "Times". Demnach sollen britische Abgeordnete, die ein anderes Land besuchten, in ihrem Hotel von Prostituierten abgeholt worden sein.
Abgeordnete, Peers (Adelige), Diplomaten und Parlamentsbeamte sagten "Politico", dass Abgeordnete die Parlamentsreisen ins Ausland als "Gelegenheit für die verdeckte Inanspruchnahme von Sexarbeitern und für ausschweifenden, exzessiven Alkoholkonsum" genutzt hätten.
Ein ehemaliger konservativer Abgeordneter, jetzt Mitglied des Oberhauses, fragte laut dem Bericht die Gastgeber nach dem Weg zum nächsten Bordell, als er mit einer parteiübergreifenden parlamentarischen Gruppe (APPG) nach Südostasien reiste. So berichtete es ein anderer Parlamentarier, der dabei war, dem Magazin.
Ein anderer Tory-Abgeordneter und ehemaliger Minister soll nach der Rückkehr der Abgeordnetendelegation geblieben sein, um seinem "Interesse an (lokalen) Frauen nachzugehen", so zwei ehemalige Kollegen.
Rishi Sunak besetzt britisches Kabinett neu – mit einigen alten Bekannten

Labour-Abgeordneter soll Vorliebe für "russische Mädchen" gehabt haben
"Er zeigte Interesse an hübschen jungen Mädchen", sagte einer von ihnen "Politico". "Er blieb nach diesen Besuchen regelmäßig dort und knüpfte Kontakte zu jungen Frauen in dem betreffenden Ort".
Und ein ranghoher Abgeordneter der Labour-Partei soll eine Vorliebe für "russische Mädchen" gehabt haben, so ein ausländischer Diplomat.
Zahlreiche Abgeordnete behaupteten nach Angaben von "Politico", dass einige Kollegen ein echtes und berechtigtes Interesse an den Beziehungen zu den besuchten Ländern verfolgten, während andere die Reisen als "Spaß" zu reinen Freizeitzwecken betrachteten. Örtliche Beamte erklärten dem Magazin, einige Abgeordnete hätten an Partys teilgenommen, die von diplomatischen Vertretern organisiert worden seien und bei denen junge Männer und Frauen zum Zweck sexueller Aktivitäten "bereitgestellt" worden seien.
Ein ehemaliger Abgeordneter fügte hinzu, dass die Regierung eines der besuchten Länder frustriert sei über das schlechte Benehmen der Parlamentarier, die sich "in ihrer eigenen Mittagspause als Berühmtheiten sehen – sie trinken und benehmen sich schlecht und arrogant".

Rishi Sunak: "Abgeordneten sollten hart für Öffentlichkeit arbeiten"
Die Berichte zwangen nun die Downing Street No. 10 dazu, sich zu äußern. Der stellvertretende Sprecher des Premierministers sagte, dass die Aufsicht über die Reisen der APPG eine Angelegenheit des Parlaments sei, aber: "Wir haben einige der Berichte gesehen und einige der berichteten Verhaltensweisen sind eindeutig sehr besorgniserregend", zitiert ihn die Zeitung "Guardian".
"Der Premierminister ist der Meinung, dass die Abgeordneten hart für die Öffentlichkeit arbeiten sollten", so der Sprecher.
In den sozialen Netzwerken wurde ebenfalls Kritik laut. Die feministische Autorin und Aktivistin Sophie Walker schrieb auf Twitter: "Das ist kein 'Fehlverhalten'; hier geht es nicht darum, dass Männer 'verwundbar' sind. Das ist der Missbrauch gefährdeter Frauen durch Männer, die Frauen als Futter sehen, die ein bis ins Mark verfaultes politisches System stützen und institutionell nicht in der Lage sind, faire Gesetze für Frauen zu erlassen."
Abgeordnete könnten sich erpressbar machen
Andere Twitter-User hätten die Parlamentskammer "House of Commons" – das Unterhaus – in "House of Sleaze" umgetauft, schreibt die Zeitung "Express". Sleaze bedeutet etwa so viel wie Schäbigkeit, Abschaum oder Skandalgeschichten.
Das Verhalten könnte aber noch ernste Konsequenzen nach sich ziehen: Es werde befürchtet, dass sich Politiker dadurch erpressbar machen, so die "Times". Hochrangige Regierungsvertreter befürchteten, dass belastende Beweise gegen diejenigen verwendet werden könnten, die sich falsch verhalten.
Eine hochrangige Regierungsquelle sagte der "Times": "Das schlechte Benehmen ist ziemlich erstaunlich. Wenn ein feindlicher Staat Glück hat, bekommt er vielleicht Fotos und wird sicherstellen, dass er genau weiß, was passiert ist. Und dann könnten sie etwas davon haben."
Quellen: "Politico", "Times", "Guardian", "Express", "Independent", Twitter, Deutsche Welle, YouGov