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Protest in Russland Ex-Polizist zu acht Jahren Haft verurteilt – weil er Ukraine-Krieg Krieg nannte

Plakat im russisch besetzten Luhansk:  Von Krieg reden darf man in Russland nicht.
"Wir glauben an unsere Armee und unseren Sieg!" steht auf diesem Plakat im russisch besetzten Luhansk. In Russland wird alles, was der offiziellen Version des Verteidigungsministeriums widerspricht, als Falschinformation verunglimpft. 
© Alexander Reka/TASS PUBLICATION / Imago Images
18 Jahre lang diente Oleg Kaschinzew bei der Polizei. Dann stellte er sich gegen das Regime in Russland. Weil er in sozialen Netzwerken über den Krieg in der Ukraine schieb, wurde er nun in Abwesenheit zu acht Jahren Haft verurteilt. –

In Moskau ist am Freitag der pensionierte Polizeimajor Oleg Kaschinzew zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Amtsgericht befand ihn für schuldig, falsche Informationen über die russischen Streitkräfte verbreitet zu haben. Das teilte sein Anwalt dem Projekt "Netz-Freiheiten" mit. "Das Verfahren fand in Abwesenheit des Angeklagten statt. Kaschinzew hält sich momentan außerhalb Russlands auf. Anfang Juli wurde er auf die Fahndungsliste gesetzt, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass. Interpol erkannte die Verfolgung des ehemaligen Beamten als politisch motiviert an und weigert sich, mit den russischen Behörden zusammenzuarbeiten.

Es ist das erste Mal, dass ein Angeklagter in Abwesenheit nach dem neu angeführten Paragrafen zu Fakes über das russische Militär verurteilt wird. Laut der Gerichtsentscheidung veröffentlichte Kaschinzew im Frühjahr 2022 mehrere Beiträge auf Telegram und Instagram, in denen er den Krieg in der Ukraine als Krieg bezeichnete und berichtete, das russische Militär töte, foltere und vergewaltige ukrainische Zivilisten und sei auch an Plünderungen beteiligt. Darüber hinaus schrieb Kaschinzew, Russland beabsichtige, ukrainische Gebiete zu erobern. Das Gericht entschied, dass es sich um eine Falschinformation handelte – ungeachtet dessen, dass Wladimir Putin per Dekret vier ukrainische Regionen für russisch erklärt hat. 

Das Gericht untersagte Kaschinzew außerdem das Beteiben von Auftritten in sozialen Netzwerken und die Arbeit bei Strafverfolgungsorganen für die Dauer von vier Jahren. Der Rang eines Polizeimajors wurde ihm aberkannt.

Russland: Protest nach 18 Jahren Polizeidienst

Kaschinzew arbeitete 18 Jahre lang bei der Polizei in der Stadt Rybinsk, rund 300 Kilometer nördlich von Moskau. 14 seiner 18 Dienstjahre war er bei der Kriminalpolizei tätig. 2019 kündigte er vor dem Hintergrund der Proteste für die Zulassung unabhängiger Politiker zu den Wahlen zur Moskauer Stadtduma. Im Dezember 2021 stellte sich der 40-Jährige mit einem Plakat vor die Mauern des Kremls. "Freiheit für Nawalny. Putin ist ein Mörder", lautete seine Botschaft. 

Damals wurden gegen Kaschinzew zwei Protokolle erstellt: wegen Verstoßes gegen die Regeln zur Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung und wegen illegalen Tragens einer Polizeiuniform. Der pensionierte Polizist war in einer Uniform auf dem Roten Platz erschienen. 

187 Verfahren wegen angeblicher Fälschungen 

Der Paragraf über Falschinformationen über die russische Armee wurde kurz nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine in das russische Strafgesetzbuch aufgenommen. Dabei bewerten die russischen Behörden alle Informationen über den Krieg in der Ukraine, die von der Version des russischen Verteidigungsministeriums abweichen, als Falschinformationen. Bei einem Verstoß drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Nach Angaben der russischen Generalstaatsanwaltschaft wurden bereits 187 Verfahren gemäß des Paragrafen eingeleitet. Wegen angeblicher Verunglimpfung der russischen Streitkräfte wurde im vergangenen Dezember auch der Kremlkritiker und Oppositionspolitiker Ilja Jaschin zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Es ist bislang das höchste Strafmaß nach diesem Straftatbestand. 

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