Barack Obama hat bei seinem Russland-Besuch offensichtlich alles richtig gemacht. Was nicht so einfach ist in einem Land, das einen mächtigen Präsidenten und einen noch viel mächtigeren Premierminister hat; dessen Bevölkerung hin und her gerissen ist zwischen nach Westen gerichtetem Konsumhunger und latentem Antiamerikanismus. Es herrscht immer noch Enttäuschung, dass Russland nicht mehr jene Weltmacht ist, wie es einst die Sowjetunion war.
Was hat Obama getan? Zuerst einmal gab er Präsident Medwedew das Gefühl, für ihn die unangefochtene Nummer eins und damit ein starker, weltweit respektierter Präsident sein. Nicht nur, indem er mit ihm fast den gesamten gestrigen Tag verbrachte. Es waren vielmehr die kleinen Gesten, die von den hochsensiblen russischen Medien goutiert wurden: Etwa mit welcher Aufmerksamkeit Obama Medwedew ansah und ihm zuhörte - als sei jedes seiner Worte von existentieller Bedeutung.
Hart, aber herzlich
Und es sind die Themen, die den Besuch beherrschen: Abrüstung, wo Russland dank seines Atomwaffenarsenals unbestritten Weltmacht ist. Bei den Gefahren, die von Nordkorea und dem nach Atomraketen strebenden Iran ausgehen, beschwor Obama die Russen, den USA zu helfen.
Befürchtet worden war, Premierminister Putin könnte sich düpiert fühlen, weil Obama ihm deutlich zu verstehen gab, dass ein Premierminister nun mal kein Präsident ist und er die wichtigsten Fragen zuerst mit Medwedew klären werde. Doch dann fand die Putin-Begnung bei Tee und Beluga-Kaviar in herzlicher Atmosphäre statt. Vielleicht war es nichtmal ein Fehler, dass Obama Putin vor seiner Abreise einen kleinen verbalen Giftpfeil über den großen Teich schoss, indem er ihm vorwarf, mit einem Bein noch ein Sowjetapparatschik zu sein. Putin kann auf so was empfindlich reagieren, andererseits liebt er den offenen Schlagabtausch. Und so konterte er: Russen stehen immer fest auf zwei Beinen und blicken in die Zukunft.
Während des Treffens, übrigens das erste zwischen den beiden, konnte sich selbst Putin nicht der Ausstrahlung Obamas entziehen. "Wir verbinden mit Ihrem Namen große Hoffnungen für den Ausbau unserer Beziehungen", sagte er, und das mit einem so freundlichen Lächeln, wie man es selten bei Putin sieht.
Die russische Seele getroffen
Anschließend redete Obama vor Studenten der New Economic School. Es waren seine Worte an das Volk. Er sagte: "Wir brauchen ein starkes, friedliches und wohlhabendes Russland." Anschließend beschwor er eine "globale Partnerschaft" und meinte: "Diese Partnerschaft wird stärker sein, wenn Russland seinen rechtmäßigen Platz als Großmacht einnimmt." Für so manchen Kommentator war diese Rede noch wichtiger, als jene, die Obama an der Universität in Kairo gehalten hatte. Faktisch gesehen war sie das nicht, aus russischer Sicht aber schon.
Man kann Obama nicht mal vorwerfen, bei allem Charme, mit dem er die Russen umschmeichelte, kritische Themen umgangen zu haben. Der Konflikt um Südossetien kam ebenso zur Sprache wie das geplante US-Raketenschild in Polen und Tschechien. Es wäre naiv, von dieser Russlandreise gleich Lösungen in solch heiklen Fragen zu erwarten. Aber die Beteuerungen, dass man solche Lösungen finden müsse, hörten sich auf beiden Seiten deutlich glaubwürdiger und engagierter an als früher.
Über die für den Nachmittag angesetzten Treffen mit russischen Oppositionellen, darunter Kreml-Kritiker Garri Kasparow, berichteten die Staatsmedien freilich kein Wort. Das wäre auch zuviel verlangt gewesen. Obama jedoch wollte zeigen, dass er die demokratischen Missstände, die in Russland herrschen, für ein wichtiges Problem hält. So wichtig, dass es sich lohnt, dafür ausreichend Zeit einzuplanen.
Und so dauerte sein erster Staatsbesuch in Moskau fast zwei volle Tage, was den Russen allein schon gefällt. In den Medien, egal ob oppositionelle oder staatshörige, wird Obama durchweg großer Respekt und viel Hoffnung entgegengebracht. Er hat es geschafft, allen das Gefühl zu geben, auf ihre Weise an einer besseren und friedlicheren Welt im 21. Jahrhundert mitzuarbeiten. Nicht unter der Führung Amerikas, sondern als Partner Amerikas. Darin liegt das Geheimnis dieser erfolgreichen Russland-Mission.