Fragen und Antworten Warum Israels Soldaten ins Schifa-Krankenhaus eindringen

Die Schifa-Klinik ist der größte Krankenhauskomplex im Gazastreifen
Die Schifa-Klinik ist der größte Krankenhauskomplex im Gazastreifen
© Ismail Zanoun / AFP
Israelische Soldaten sind nach Armee-Angaben ins Schifa-Krankenhaus in Gaza vorgerückt, obwohl sich dort wohl 2000 Patienten und Schutzsuchende aufhalten. Wie Israel den Militäreinsatz rechtfertigt.

Israelische Soldaten sollen am Dienstagabend ins Schifa-Krankenhaus eingedrungen sein. Auf Grundlage von Geheimdienstinformationen laufe "eine präzise und gezielte Operation" in einem bestimmten Bereich der Klinik, wie die Armee am frühen Mittwochmorgen mitteilte. Mit dabei seien medizinische Teams und arabischsprachige Militärangehörige.

Warum ist das Schifa-Krankenhaus für Israel wichtig?

Israel vermutet unter dem größten Klinik-Komplex im Gazastreifen eine Kommandozentrale der Hamas. Die Palästinenserorganisation bestreitet das.

Steht Israel mit dieser Einschätzung allein da?

Nein. Auch die USA gehen davon aus, dass die Hamas im Gazastreifen Krankenhäuser für militärische Zwecke nutzt. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte: "Hamas und Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) nutzen einige Krankenhäuser im Gazastreifen – auch die Schifa-Klinik – und unter ihnen liegende Tunnel, um ihre Militäroperationen zu verbergen und voranzutreiben und um Geiseln festzuhalten".

Wie ist die Lage an und in der Klinik?

Die BBC zitierte einen Augenzeugen in der Klinik, der von sechs Panzern und mehr als Hundert Soldaten auf dem Krankenhausgelände berichtete. Einige seine maskiert gewesen und hätten auf Arabisch gerufen: "Nicht bewegen, nicht bewegen!" Auch seien Rauchbomben zum Einsatz gekommen.

Ein Klinikarzt, Ahmed Muchallalati, berichtete der "Washington Post" von stundenlangen Schusswechseln und Explosionen rund um das Krankenhaus. Er habe israelische Panzer in Nähe des Gebäudekomplexes gesehen. Unabhängig überprüfen ließen sich diese Angaben am Morgen nicht.

Bei dem Einmarsch in das größte Krankenhaus im Gazastreifen sei es nicht zu Spannungen zwischen den Truppen und Patienten oder Personal gekommen, hieß es laut Medien von der israelischen Armee.

Wie viele Menschen befinden sich im Schifa-Krankenhaus?

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO befanden sich mit Stand Montag mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten die Zahlen.

Wie rechtfertigt Israel den Angriff auf ein Krankenhaus?

"Die fortgesetzte militärische Nutzung des Schifa-Krankenhauses durch die Hamas führt dazu, dass es seinen besonderen völkerrechtlichen Schutz verliert", sagte Armeesprecher Daniel Hagari. "Wir sind gezwungen, vorsichtig und präzise gegen die militärische Infrastruktur der Hamas in den Krankenhäusern vorzugehen." Tatsächlich dürfen Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen laut Völkerrecht nicht für militärische Zwecke genutzt werden.

Israelische Bodentruppen haben bei ihrem nächtlichen Einsatz gegen Hamas-Terroristen im Schifa-Krankenhaus nach eigenen Angaben auch Brutkästen, Babynahrung und medizinische Hilfsgüter in die Klinik gebracht.

Gibt es Kritik an dem Einsatz?

Ja. Uno und Rotes Kreuz sind äußerst besorgt um die Sicherheit von Patienten, Flüchtlingen und medizinischem Personal in der Klinik. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO),  Tedros Adhanom Ghebreyesus, zeigte sich am Mittwoch "zutiefst beunruhigt" durch den Armee-Einsatz, wie er im Onlinedienst X (vormals Twitter) schrieb. Die WHO habe erneut Kontakt zu dem medizinischen Personal in der Klinik verloren.

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Auch UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths zeigte sich im Online-Dienst X "entsetzt" über das Vordringen von Soldaten in die Klinik. "Krankenhäuser sind kein Schlachtfeld", erklärte er. Der Schutz von Neugeborenen, Patienten, medizinischem Personal und allen Zivilisten müsse Vorrang haben.

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Ähnlich äußerte sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). In einer an die Nachrichtenagentur AFP in Genf übermittelten Erklärung hob das Rote Kreuz hervor, es müssten "alle Maßnahmen" ergriffen werden, um jegliche Konsequenzen für Kranke, Zivilisten und medizinisches Personal zu vermeiden.

Gibt es schon Informationen, was der Einsatz gebracht hat?

Israelische Soldaten haben bei dem stundenlangen Einsatz im Krankenhaus Berichten zufolge Waffen der islamistischen Hamas gefunden. Es gab demnach aber zunächst keine Hinweise darauf, dass in der Klinik in der Stadt Gaza auch Geiseln festgehalten werden, wie israelische Medien unter Berufung auf die Armee meldeten. Israels Streitkräfte hofften aber, in dem Klinikkomplex Informationen über den Verbleib der am 7. Oktober bei der Hamas-Terrorattacke aus Israel verschleppten Geiseln zu finden.

tkr mit DPA und AFP